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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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Minuten bogen sie von der Hauptstraße ab in eine nicht viel kleinere Nebenstraße, und das konnte doch nicht wahr sein! Da war doch diese Leuchtschrift, das Geschäft, und nebenan das Restaurant. Sie waren doch gerade erst losgefahren.
    »Die Oma hat gepupst«, hörte sie das Mädchen sagen.
    »Sei still, Bobulina«, sagte der Bauer. »Sind das vielleicht Ihre beiden Asiaten?«, fragte er Frau Ella grinsend, und sie spürte, wie sie rot anlief, wie sie sich schämte, dass sie schon wieder die Kontrolle verloren hatte, und zugleich dieses Glück, einen Ort zu sehen, den sie kannte, endlich sicher zu sein, dass sie wirklich noch in der Welt war, was auch immer sie da erwartete.
    »Wie haben Sie denn das geschafft?«
    »Dass Sie in dieser Kleidung nicht von allzu weit gekommen sind, konnte ich mir schon denken. Kommen Sie, ich bringe Sie zu ihren Freunden.«
    Während er ausstieg und um den Wagen herum auf ihre Seite kam, suchte sie das Fenster von Saschas Küche, das doch zur Straße hin ging. Ob sie da gleich wieder sitzen würde, plaudernd, als wäre nichts geschehen? Unmöglich. Aber es brachte ja alles nichts. Irgendwie musste es ja mit ihr weitergehen. Jetzt sollte sie sich auch von dem Mädchen verabschieden, das sie auf der Parkbank gefunden hatte wie eine Landstreicherin.
    »Spätestens wenn ich wirklich ein Gespenst bin, komme ich dich wieder besuchen«, sagte sie.
    »Okee«, sagte das Mädchen.
    Dann ließ Frau Ella sich aus dem Auto helfen und ging, noch etwas langsamer als nötig, am Arm des Bauern zur Haustür, bat ihn, die richtige Klingel zu suchen, da sie im Halbdunkel schon nichts mehr lesen konnte.
    Er klingelte. Sie warteten. Er klingelte noch einmal. Er lächelte. Sie brauchte so dringend eine Toilette.
    »Die jungen Männer sind am Morgen schon weggefahren«, hörte sie jemanden sagen, und erst als sie sich umwandte, begriff sie, dass das Herr Li war, der Vater des Ladenbesitzers, mit dem sie sich so nett unterhalten hatte.
    »Weggefahren?«, fragte sie.
    »Ja, ganz schnell, mit dem Auto ohne Dach. Wenn Sie wollen, warten Sie bei mir, bis die Männer zurückkommen.«
    Sie sah den Bauern an, als könnte der ihr jetzt helfen, als hätte er nicht schon genug für sie getan.
    »Die Jacke können Sie behalten. Und kommen Sie uns besuchen, auf einen Kaffee vielleicht.«
    Dann gab er ihr einen schmatzenden Kuss auf die Wange und ließ sie stehen, stieg in den Wagen und fuhr kurz hupend davon.
    »Haben Sie eine Toilette?«, fragte sie Herrn Li.
    »Natürlich«, lächelte der. »Natürlich. Kommen Sie, bitte.«

    So sah alles schon wieder ganz anders aus, das heißt, es fühlte sich zumindest anders an. Leichter. Weniger bedrohlich. Sie würde das schon hinbekommen, auch wenn Herr Li in seinem tadellos sitzenden Anzug sie daran erinnerte, dass sie im Nachthemd an dem kleinen Tisch im Hinterzimmer des Ladens saß. Er lächelte, und sie musste daran denken, was Lina gesagt hatte. Dass er ihr den Hof gemacht habe. So ein Unsinn. Er war einfach ein Mann der alten Schule. Wann immer die Ladentür klingelte, stand er auf, um den Kunden zu bedienen, und lächelte ihr entschuldigend zu. Als sei er verpflichtet, sich die ganze Zeit um sie zu kümmern. Der Raum war bis unter die Decke zugestellt mit Holzkisten und Kartons. Nur für das Sofa, den Stuhl und den Tisch war gerade noch genug Platz. Auf dem Tisch dampfte ein Topf aus weißem Plastik vor sich hin. Ein Reiskocher, hatte er ihr erklärt. Sein Sohn war mit der ganzen Familie über das Wochenende auf irgendeinem Familienfest, so dass er gar nicht wegkonnte aus dem Laden, um zu Hause zu essen. Es würde auch für zwei reichen, hatte er ihr zugelächelt. Wieder ein Mensch, der sich um sie kümmerte, der gut zu ihr war. So unwirklich ihr die Ereignisse der letzten Stunden und Tage vorkamen, sie wunderte sich doch über das Glück, das sie immer wieder hatte. Nur mit Sascha hatte es kein gutes Ende genommen. Ausgerechnet mit ihm. Herr Li hatte traurig lächelnd den Kopf geschüttelt, als sie ihm die ganze Geschichte erzählt hatte.
    »Trinken wir einen kleinen Schluck auf die Zukunft von heute«, sagte er jetzt, der mit einer Flasche und zwei Gläsern auf einem kleinen Tablett zurück aus dem Laden kam. Er setzte sich ihr gegenüber auf seinen Stuhl und widmete sich dem Verschluss, ohne sie aus den Augen zu lassen. Nicht, dass die Beschriftung des Etiketts ihr irgendetwas gesagt hätte, doch die Farbe der Flüssigkeit und ein rätselhafter länglicher Gegenstand,

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