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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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eine schwere Traumatisierung hin. Im
Kern sind die Aussagen von solchen Menschen häufig richtig, aber es kann im
Einzelfall schwer sein, den wahren Kern von dem vielen Drumherum zu
unterscheiden. Gerade Annika scheint sich kaum Mühe zu geben, ihre Behauptungen
besonders plausibel erscheinen zu lassen.«
    »Gerichtsverwertbar war so gut wie nichts von dem, was
sie gesagt hat.«
    »Sie wäre ein gefundenes Fressen für jeden Verteidiger
und dessen Gutachter. Aber das heißt nicht, dass es falsch ist, was sie dir
gesagt hat.«
    »Ich muss nur erst herausbekommen, was der wahre Kern
ihrer Anschuldigungen ist und was Resultat ihrer falsch verschalteten
Synapsen.«
    »Oder ihrer verwirrten Seele.«
    »Sie hat Mertens beschuldigt, Holler getötet zu haben.
Den habe ich auch in Verdacht, in den Fall irgendwie verwickelt zu sein. Scheißkapitalisten
und Bullen hatte ich nicht auf meiner Rechnung, aber vermutlich muss hier die
Unterscheidung zwischen wahrem Kern und Synapsenchaos beginnen. Das Problem
ist, dass Mertens für die Tatzeiten ein Alibi hat. Wenn ich es allerdings genau
bedenke, kein unerschütterbares.«
    Für den Mord an Holler hatten sie es noch nicht einmal
überprüft, Frau Mertens war dazu noch gar nicht befragt worden. Alibis von
nahen Angehörigen waren außerdem oft etwas völlig anderes als die reine
Wahrheit. Und Hochstätter hatte bestimmt nicht die ganze Nacht im Gästetrakt
seines Anwesens über den Schlaf des Hausmeisters gewacht.
    »Annika hat irgendetwas über ein Gespräch mit Mertens
und über ein Video gesagt. Hast du eine Idee, was es mit dem Video auf sich
haben könnte?«, fragte Julia.
    »Möglicherweise enthält es Aufzeichnungen eines
Verbrechens«, antwortete Mayfeld. »Heutzutage werden Videos meistens auf dem
Computer gespeichert.«
    »Was ist mit den Computern?«, fragte Julia.
    »Die sind in beiden Fällen verschwunden.«
    »Wer ist diese Marie, von der sie gesprochen hat?«
    »Das Mädchen, das verschwunden ist, Marie Lachner.«
    »Wenn das mit dem Video stimmt, dann ist das Mädchen
in Gefahr.«
    Daran hatte Mayfeld auch schon gedacht, und der
Gedanke bereitete ihm großes Unbehagen.
    »Und was hat dieser Autist mit der ganzen Sache zu
tun?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, antwortete
Mayfeld.
    ***
    Der König aber ward zornig und
sprach: »Wer dir geholfen hat, als du in der Not warst, den sollst du hernach
nicht verachten.«
    Basti war vom Kloster zurück zur Mapper Schanze
gefahren und hatte das Quad hinter den Büschen versteckt. Die Farben des Walds
wurden schwächer, die Schatten länger. Er ging zum Platz hinter dem Turm, dort,
wo die schwarze Katze am Baum hing und Hochzeit mit des
Seilers Tochter hielt.
    Es war nicht schön von Marie gewesen, dass sie
davongelaufen war. Sie hatte versprochen, das nicht zu tun. Versprochen und
nicht gebrochen, hieß es doch. Dabei war es so ein schöner Rundgang durch das
Kloster gewesen. Basti hatte sich alles gemerkt von den Kleidern von Jesus und
den abgetragenen Stiefeln der Mönche. Er würde Zeichnungen von den
Tumbendeckeln machen.
    Aber jetzt hatte er anderes zu tun. Er musste die
Königstochter wiederfinden. Und dafür musste er nachdenken. Er ging zu seiner
Schatztruhe, holte Totenbeine und Totenköpfe heraus und kegelte eine Runde.
Aber das half nicht beim Nachdenken. Wenn er nur wüsste, wie das ging,
nachdenken. Er konnte sich zwar alles viel besser als andere Leute merken, aber
das Nachdenken fiel ihm nicht so leicht. Deswegen konnte er sich oft nicht
entscheiden, was er tun sollte. Wenn er ein passendes Märchen fand, war es
leichter, dann machte er es wie im Märchen. Aber diesmal fand er kein
passendes.
    Der Jüngste aber war dumm, konnte
nichts begreifen und lernen.
    Warum war Marie davongelaufen? Hatte es ihr in der
Schanze nicht gefallen? Den ganzen letzten Tag hatte sie geweint. Hatte sie
Heimweh bekommen? War sie wieder zurück zu ihren Eltern? Aber sie hatte ihm
doch erzählt, dass sie nie, nie, nie mehr dorthin wollte.
    Mit dem Weinen kannte er sich nicht gut aus. Er hatte
erst ein Mal in seinem Leben geweint. Damals hatte er mit Tante Sylvia darüber
gesprochen, die wissen wollte, warum er weinte. Warum, warum, warum. Immer
diese doofe Frage. Frau Holle hatte damals gesagt, wenn er herausbekommen
wolle, woher das Weinen komme, müsse er sich erinnern, wann es angefangen habe.
Das war gut. Denn erinnern konnte er sich ganz prima. Und es war ihm gleich
eingefallen, dass er mit dem Weinen angefangen hatte,

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