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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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behandeln. Warum wollte Mertens dich vergiften?«
    »Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn fertigmache.«
    »Das war vielleicht nicht sehr schlau.«
    »Ich hatte was intus«, erklärte Annika.
    Natürlich. »Wie wolltest du das denn anstellen, ihn
fertigmachen?«
    Annika zeigte mit dem Kinn auf die Speicherkarte, die
sie vor sich auf den Tisch gelegt hatte.
    »Damit. Das Video hat Kevin vom Rechner des Arschlochs.
Er hat mir eine Kopie davon gemacht, weil ich ihm einen Tipp gegeben habe.«
    »Einen Tipp?«
    Annika begann zu zittern. Sie nahm einen weiteren
Schluck aus der Flasche.
    »Du kennst doch Alina und Janine. Mit denen fährt der
Drecksack jeden Mittwoch weg. Anschließend sind die beiden völlig fertig. Das
hab ich Kevin gesteckt, und der ist Mertens hinterhergefahren. Als ich ihn das
nächste Mal gesprochen habe, wollte er das Video zurückhaben. Aber was ich mal
habe, gebe ich nicht mehr her. Er meinte, damit könnte man Mertens
fertigmachen, aber ich soll erst mal den Ball flach halten und mich von den
Bullen fernhalten. Deswegen habe ich Holler auch verboten, zur Polizei zu
gehen.«
    Marie wurde heiß und kalt und schwindelig. »Frau Dr. Holler
hat das Video gesehen?«
    »Ich hab ihr bloß davon erzählt. Sie meinte, ich soll
damit zu den Bullen gehen, und ich hab gesagt, ich überleg es mir. Ich hab ihr
lediglich erlaubt, das Jugendamt vor Mertens zu warnen.«
    »Erlaubt?«
    »Klar doch. Es geht um Datenschutz, Arztgeheimnis und
so was.«
    »Wohin ist Kevin dem Drecksack gefolgt?«, fragte Marie
und versuchte, den Kloß in ihrem Hals zu ignorieren.
    »Johannisberg«, antwortete Annika, die ganz plötzlich
einsilbig geworden war.
    Das hatte sich Marie gedacht.
    »Zeig mir das Video«, sagte sie. Sie hörte sich
sprechen, als sei sie eine fremde Person. »Mit deinem Superhandy geht das doch
bestimmt. Ich will es jetzt sehen.«
    Annika kam zu ihr auf das Bett und schaltete ihr
Smartphone an, schob die Speicherkarte in einen kleinen Schacht und öffnete
einen Videoplayer.
    ***
    Basti schaute enttäuscht auf den Mann. Dann
probierte er es noch einmal. Er nahm ein Haarbüschel in die Hand und
betrachtete jedes Haar einzeln, ganz genau sah er sie sich an. Aber es war kein
einziges goldenes dabei. Dann nahm er noch ein Haarbüschel und untersuchte es.
Und noch eins und noch eins und noch eins. Bis er alle Haare durchgesehen
hatte. Nirgendwo ein goldenes Haar zu finden, und schon gar nicht drei. Und er
war sich so sicher gewesen, das richtige Märchen gefunden zu haben. Der Teufel
im Märchen war immer aufgewacht, wenn ihm die Ellermutter ein goldenes Haar ausgerissen hatte, der Mann hier rührte sich nicht. Aber das
war leicht zu verstehen, Basti hatte ihm ja kein Haar ausgerissen.
    Was sind das für gottlose Streiche,
die muss dir der Böse eingegeben haben.
    Er dachte angestrengt nach. Es war die dritte Nacht,
seit er das Haus im Sülzbachtal verlassen hatte. In der ersten Nacht hatte er
die schwarze Katze gefunden, die ihn an Findus erinnert hatte und die jetzt mit des Seilers Tochter Hochzeit hielt, in der zweiten
Nacht hatte er mit dem greulichen Mann gekämpft und mit den Totenbeinen und
Totenköpfen gekegelt.
    Nicht weit davon stände ein
verwünschtes Schloss, wo einer wohl lernen könnte, was Gruseln wäre, wenn er
nur drei Nächte darin wachen wollte. Der König hätte dem, der’s wagen sollte,
seine Tochter zur Frau versprochen, und die wäre die schönste Jungfrau, welche
die Sonne beschien.
    Das war nicht Märchen Nummer neunundzwanzig, das war
Märchen Nummer vier.
    »Wart«, sprach er, »ich will dich
ein bisschen wärmen«, ging ans Feuer, wärmte seine Hand und legte sie ihm aufs
Gesicht, aber der Tote blieb kalt. Nun nahm er ihn heraus, setzte sich ans
Feuer und legte ihn auf seinen Schoß, und rieb ihm die Arme, damit das Blut
wieder in Bewegung kommen sollte.
    Basti verließ die Mühle. An einer Seitenwand des
Gebäudes hatte er einen Stapel Brennholz gesehen, als er angekommen war. Er
nahm fünf Scheite davon und ein wenig Reisig, das in einem Korb neben dem
Stapel lag, und trug alles in den Raum mit dem großen Kamin. Dort entfachte er
ein Feuer. Nach einer Weile begann es, lustig zu prasseln. Dann machte er alles
wie im Märchen beschrieben.
    Erst wärmte er sich die Hände am Feuer und legte sie
dem Mann aufs Gesicht, immer und immer wieder, denn Mama hatte gesagt, dass man
nicht so schnell aufgeben dürfte. Aber nichts passierte.
    Dann setzte er sich ans Feuer und zog den Mann auf
seinen

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