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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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Marie in Gefahr ist? Dafür
müsste Mertens wissen, dass sie im Besitz des Videos ist. Und ihm wird es
Annika ja wohl kaum gesagt haben«, führte Julia ihre Überlegungen fort.
    Mayfelds Handy klingelte. Er hörte die schniefende
Stimme von Winkler.
    »Der Irre mit dem Märchentick hat wieder angerufen,
diesmal bei den Kollegen in Rüdesheim. ›Knusper knusper Knäuschen, wer knabbert
an meinem Häuschen? Der Mertens ist tot‹, lautete heute Morgen die Botschaft.
Soll ich irgendetwas veranlassen?«
    Mayfeld informierte die Kollegin über die Ereignisse
des vergangenen Tages.
    »Schick Leute bei Mertens vorbei. Ich melde mich
wieder. Ich hab eine Idee.«
    Mayfeld fuhr nach Johannisberg, vorbei am Schloss
und am Kloster in den Höllenweg. Er ließ die ersten Mühlen links liegen und
folgte der Landstraße, die bald in den Wald hineinführte. Die Sonne ließ die
Farben des Herbstes aufscheinen, ein rotes Glühen durchzog das Tal zwischen
Johannisberg und Marienthal, als wollte sich die Natur gegen die nahende Kälte
und den Verfall ein letztes Mal aufbäumen. Er nahm die Abzweigung ins Tal
hinab, passierte eine geöffnete Schranke.
    Schon vor zwei Tagen war ihm der Hohlweg bekannt
vorgekommen, jetzt erinnerte er sich, woher. Es war der Weg, der auf dem Foto
zu sehen war, das er in Sebastian Fromms Zimmer gefunden hatte, genau dieselbe
Schranke war dort abgebildet. Die Mühle gehörte Hochstätter. Es war
naheliegend, dass er hierhergefahren war, und überraschend, dass er den Weg auf
dem Bild nicht erkannt hatte.
    Er erreichte die Mühle. Vor dem Gebäude stand der
Geländewagen des Hausmeisterservices, die Eingangstür des Hauses war angelehnt.
Er betrat den Vorraum und rief nach Mertens, bekam aber keine Antwort. Mayfeld
betrat das Zimmer, in dem er sich zwei Tage zuvor mit Mertens unterhalten
hatte. Das Sonnenlicht fiel durch die Fenster auf den Dielenfußboden, auf ein
paar zusammengelegte Wolldecken und auf den mit Bruchsteinen gemauerten,
riesigen offenen Kamin an der Längsseite des Raumes.
    Es roch nach verbranntem Fleisch.
    Aus der Öffnung des Kamins ragten zwei Beine. Mayfeld
stürzte darauf zu und zog an ihnen. Die Beine des Mannes waren steif, seine
Arme verhakten sich mit den seitlichen Mauern der Kaminöffnung. Nach einer
Weile hatte er es geschafft, den Körper zu befreien. Die Haare des Mannes und
die Kopfhaut waren versengt, im Kamin fand Mayfeld Reste von Glut. Es war nicht
mehr nötig, den Puls am verrußten Hals zu überprüfen.
    Mertens war tot. Um seinen Hals schlängelte sich das
violettfarbene Band, das Mayfeld nun schon zum dritten Mal innerhalb kurzer
Zeit an einem Toten wahrnahm. Er warf einen Blick auf den Bauch der Leiche. Das
weiße Hemd von Mertens war aschgrau geworden, dennoch hatte Mayfeld die beiden
kleinen Brandmarken schnell entdeckt. Entgeistert setzte er sich neben den
Toten auf die Holzdielen.
    Einige Minuten später rief er den Bereitschaftsdienst
im Wiesbadener Polizeipräsidium an und ließ sich mit Winkler verbinden.
    »Mertens ist tatsächlich tot. Ich habe ihn in der
Bachmühle in Johannisberg gefunden. Komm vorbei und bring das große Orchester
mit.«
    Mayfeld durchkämmte die Mühle vom Keller bis zum Dach.
Das war eine einfache Angelegenheit. Das Gebäude war komplett leer geräumt und
gesäubert, die Arbeiter der Entrümpelungsfirma, die Mayfeld zwei Tage zuvor in
der Mühle gesehen hatte, hatten ganze Arbeit geleistet. Man konnte erkennen,
dass das Gebäude vor Jahren zu Wohnzwecken umgebaut worden war, aber alle
Spuren der bisherigen Nutzung waren getilgt worden.
    Er ging nach draußen und schaute sich in der Umgebung
um. Die Mühle stand direkt am Bach, der durch das Tal zog. Mayfeld konnte die
Reste eines Wasserrades erkennen, an einer Wand des Gebäudes war Brennholz
gestapelt. Vor dem Haus lag ein gekiester Parkplatz, neben Mertens’
Geländewagen schien ein weiteres Fahrzeug gestanden zu haben, aber auf dem Kies
hatte es keine verwertbaren Reifenspuren zurückgelassen. Ansonsten umgab eine
Wiese das Haus.
    Mayfeld wusste, dass oberhalb und unterhalb der
Bachmühle weitere Anwesen im Tal lagen. Von der Mühle aus waren sie allerdings
genauso wenig zu sehen wie die Landstraße. Das Gebäude lag abgelegen und
versteckt im Wald.
    Eine halbe Stunde später traf Winkler zusammen mit
drei uniformierten Kollegen und drei Mitarbeitern der Spurensicherung ein.
Mayfeld schickte die Kriminaltechniker in den Raum, in dem Mertens’ Leiche lag,
und die uniformierten

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