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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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Der Kardiologe
hatte ein paar Untersuchungen mit ihm angestellt und dann gemeint, es sei gut,
dass er gekommen sei. Und hatte ihn auf die Intensivstation gebracht und an ein
halbes Dutzend Schläuche angeschlossen. Da lag er nun seit vier Tagen in einer
Box und konnte nicht rauchen.
    Spätestens in drei Tagen musste er hier wieder raus.
Er hatte seinem Freund Egon versprochen, das nächste Wochenende auf dessen
Lamas aufzupassen. Als er das dem Arzt gesagt hatte, hatte der ihn angesehen,
als ob er nicht ganz richtig im Kopf sei. Aber Herbert Mayfeld hatte ihm die
Sache genau erklärt.
    Der Pfleger löste den Infusionsschlauch von der Venüle
und verschloss diese mit einer Plastikschraube.
    »Gibt es ganz bestimmt keine Ausnahme? Ich habe
gehört, dass es unter Pflegern und Krankenschwestern viele Raucher gibt. Der
viele Stress, die schlechte Bezahlung, ich kann das verstehen. Rauchen Sie?«
    Der Pfleger drückte auf verschiedene Knöpfe neben dem
Überwachungsmonitor.
    »Ja«, antwortete er unwillig.
    »Und wie halten Sie die ganze Schicht ohne Flippe
aus?«
    Der Pfleger seufzte. »Weiter vorne ist ein
Lichtschacht. Da kann man rauchen.«
    »Gut, dann befreien Sie mich mal von meiner
Verkabelung. Die Infusion haben Sie ja schon abgemacht. Schauen Sie nicht so
skeptisch, Sie haben den Arzt vorhin doch gehört: Ich werde morgen auf
Normalstation verlegt. Da kann es heute Abend doch nicht weiter gefährlich
sein, wenn Sie mal zehn Minuten nicht über meine Herzfrequenz informiert sind.«
    Das überzeugte den Pfleger. Der Mann löste die Kabel
des EKG s und entfernte das Sauerstoffmessgerät
von der Fingerkuppe.
    »Sie sind ein wahrer Samariter«, rief der alte
Mayfeld, sprang aus dem Bett und warf sich einen Bademantel über. »Und nun
zeigen Sie mir das Raucherstübchen im Grünen!«
    Der Pfleger führte ihn durch einen Gang, vorbei an
mehreren Pflegeboxen und an der verglasten Überwachungszentrale, die er »unser
Aquarium« nannte, zu einer Schiebetür. Die Glastür führte nach draußen auf eine
kleine Freifläche, die von allen Seiten von hohen Mauern umgeben war.
    Es war dunkel geworden und ziemlich kühl. Der Boden
des Schachtes war mit dunklem Schotter und ein paar Tretfliesen bedeckt. Das
mit dem Grün war wohl ein Irrtum gewesen. Aber immerhin stand neben der Glastür
ein Plastikbecher mit Kippen, und zur Verschönerung des heimeligen Ortes hatte
ein netter Mensch ein Plastikherz mit der Aufschrift »Welcome« in den Schotter
gesteckt, neben ein paar Plastikfiguren, die eine Familie von Erdmännchen
darstellen sollten.
    »Nett haben Sie es hier«, sagte er zu dem Pfleger. »Aber
lausekalt. Trotzdem vielen Dank! Ich find mich hier allein zurecht.«
    Im Bademantel steckten ein Feuerzeug und eine
Schachtel Zigaretten. Er zündete sich eine an. Gierig sog er den Rauch in seine
Bronchien und genoss den Wirbel, den das anflutende Nikotin mit seinen
Gehirntransmittern anrichtete. Oder was immer da gerade in seinem Oberstübchen
passierte.
    Er schaute sich um. Tagsüber diente der Schacht wohl
dazu, Tageslicht auf die Station zu lassen, am Abend war es umgekehrt, da wurde
der Schacht vom Licht aus der Station, das durch die Glastür und das Fenster
einer Pflegebox fiel, erhellt. Vor neugierigen Blicken etwaiger Raucher
schützte die benachbarte Pflegebox eine Jalousie, die aber so geneigt war, dass
Herbert Mayfeld ungefähr erkennen konnte, was drinnen passierte. Offensichtlich
hatte ein Patient Besuch von einem ziemlich groß gewachsenen Mann, der wild
herumgestikulierte. Das zeigte der Monitor in der Überwachungszentrale
natürlich nicht an.
    Irgendwie gefiel Mayfeld nicht, was er da schemenhaft erkennen
konnte. Er ging näher an das Fenster heran. Das war zwar ziemlich ungezogen,
aber gute Manieren waren noch nie seine Stärke gewesen. Hinter der Jalousie
erkannte er eine junge Frau, die halb aufgerichtet in ihrem Bett saß und nach
irgendetwas neben dem Bett zu greifen versuchte, und einen großen Mann, der in
ihrer Tasche, die in einer Ecke des Zimmers stand, nach etwas suchte. Das
schien die junge Frau wütend zu machen.
    Mayfeld klopfte kräftig gegen die Fensterscheibe. Der
Mann fuhr herum und schaute zum Fenster. Mayfeld meinte ein wütendes Funkeln in
seinen Augen zu erkennen, aber das war natürlich Quatsch bei den schlechten
Sichtverhältnissen. Immerhin hörte der Kerl auf, in der Tasche der Frau
herumzuwühlen. Die hatte sich mittlerweile der Kabel, mit denen sie an die
Apparate der Intensivstation

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