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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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nach
Kiedrich.
    Basti lenkte das Quad auf einen Parkplatz, auf dem ein
paar vereinzelte Wagen standen. Allerdings war gerade kein Mensch zu sehen, und
Marie hätte auch gar nicht gewusst, was sie hätte tun sollen, wenn jemand aus
dem Auto gestiegen wäre. Abspringen und um Hilfe schreien? Und dann zurück zu
den Leuten, die behaupteten, ihre Eltern zu sein, und die sie in einen
Kinderknast bringen wollten? Annika alleinlassen? Das ging alles gar nicht.
Also war es das Beste, weiter mitzufahren und zu hoffen, dass der Riese kein
Arschloch war.
    »Förster-Bitter-Eiche«, verkündete Basti.
    Sie fuhren jetzt auf einer asphaltierten Straße, die
dem Auf und Ab der Hügel folgte. An einer weiteren Wegkreuzung kam ihnen ein
Mountainbikefahrer entgegen. Bald danach öffnete sich der Wald rechts und gab
den Blick auf Pferdekoppeln und Gebäude frei.
    »Hof Mappen«, rief Basti. »Gleich zeig ich dir mein
Geheimnis.«
    Sie fuhren noch ein kurzes Stück weiter.
    »Mapper Schanze, bitte absteigen!« Basti hielt das
Quad an und zeigte auf eine Ruine rechts des Weges. »Rapunzel ward das schönste
Kind unter der Sonne. Als es zwölf Jahre alt war, schloss es die Zauberin in
einen Turm, der in einem Walde lag und weder Treppe noch Türe hatte, nur ganz
oben war ein kleines Fensterchen.«
    Der mit Efeu bewachsene Turm oder das Tor, oder was
davon übrig geblieben war, hatte schon mal bessere Zeiten gesehen, und Marie
konnte nicht erkennen, was daran so geheimnisvoll sein sollte. Es war halt eine
Ruine, die im Wald herumstand. Die Büsche und Hecken um das Gemäuer herum waren
besonders dicht, aber sonst?
    »Ich will zu Annika nach Rüdesheim«, erinnerte sie
Basti.
    »Guck!« Basti wies auf ein Schild neben dem Turm hin.
Als sie keine Anstalten machte, es zu lesen, erzählte er ihr, was draufstand.
Natürlich konnte er auch das auswendig.
    »Mapper Schanze, 1494 errichtet als ein Torturm des um
1200 angelegten Rheingauer Gebücks. Diese so gut wie undurchdringliche
Befestigung des Rheingaus bestand aus gebückten Buchen in einer Breite von etwa
fünfzig Schritt. Sie verlief vom Niedertal nördlich von Lorchhausen im Westen
bis zur Mündung der Walluf im Osten. Die Mapper Schanze sicherte den Durchlass
der von Oestrich an die Lahn führenden Straße.«
    Als er mit seinem Vortrag fertig war, ging er auf den
Turm zu und bedeutete ihr mit einer Geste mitzukommen.
    Sie gingen durch das Tor der Ruine hindurch und um den
Turm herum. Das Unterholz war hier wirklich recht dicht. Auf der Rückseite des
Turms verbarg sich hinter einem der Büsche eine Tür, die aussah, als ob sie
seit Jahren niemand mehr benutzt hätte.
    »Das ist gar nicht der Turm von Rapunzel. Der Turm hat
nämlich doch eine Tür.«
    Der Riese zwängte sich zwischen Turmmauer und Büschen
entlang, öffnete ein Vorhängeschloss und drückte die Tür auf.
    »Komm!«, forderte er Marie auf.
    Marie drückte sich ebenfalls die Mauer entlang und
warf einen Blick ins Innere der Ruine. Im Dämmerlicht erspähte sie eine
Matratze, einen Tisch und zwei Schemel in einem durch grob gemauerte Wände
begrenzten Turmzimmer. In einem Regal an der Wand erkannte sie Einmachgläser.
Wahrscheinlich gefüllt mit eingemachten Lurchen, Hasenpfoten und Rehkitzaugen.
    »Mein Versteck«, sagte Basti stolz. »Direkt am Gebück.
Gefällt es dir?«
    »Cool«, antwortete Marie. »Aber können wir jetzt
weiterfahren?«
    Basti ließ sich darauf ein. Sie stapften zurück zum
Quad und saßen wieder auf.
    Sie fuhren eine ganze Weile weiter durch den Wald. Der
Weg verlief jetzt größtenteils eben auf der Berghöhe.
    Basti kündigte Kasimirkreuz, Kreistanne, Hallgartner
Zange und Sieben Wegweiser an, grüßte die wenigen Wanderer und Mountainbiker
mit einem Winken, und manchmal winkte auch Marie. Bei den Sieben Wegweisern
nahm er die Forststraße, die zurück ins Tal führte.
    »Johannisberg!«, rief er, als sie aus dem Wald
hinausfuhren und eine Ortschaft erblickten.
    Sie kamen Rüdesheim also tatsächlich näher, stellte
Marie erleichtert fest. Basti fuhr durch Johannisberg und bog am Ortsende
rechts ab.
    »Kloster Johannisberg«, rief er und deutete auf ein
Gebäude oberhalb der Straße, das streng ins Tal blickte. »Johannisberger
Hölle«, verkündete er als Nächstes.
    Sie bogen in eine Straße ein, die in ein bewaldetes
Tal führte.
    Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas stimmte
überhaupt nicht, das spürte Marie. Ihr Kopf wurde heiß, es fühlte sich so an,
als ob ihr Gehirn verbrennen würde,

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