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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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während sich von der Magengrube aus
Eiseskälte im Rest ihres Körpers ausbreitete.
    »Elstermühle«, rief der Riese vor ihr.
    Der muffige Geruch seines Anoraks stieg ihr in die
Nase. Ihr wurde übel. Sie fuhren durch Wiesen mit Obstbäumen und Viehweiden.
Ein paar Kühe glotzten böse zu ihnen herüber. Das Tal wurde enger, der Wald
rückte näher an die Straße heran. Sie musste sich zusammenreißen, sie wollte
ihm nicht in die Kapuze kotzen. Was war mit ihr los? Sie kapierte ums Verrecken
nicht, was hier los war.
    »Verrecken« – das hässliche Wort hallte in ihrem Kopf
und wurde immer lauter.
    »Weihermühle«, rief Basti.
    Verrecken, verrecken, verrecken.
    »Bachmühle! Ostermühle!«
    Mühle, Mühle, Mühle.
    Die Umgebung schien jede Farbe zu verlieren. Gleich
darauf leuchteten die Farben des Waldes unnatürlich grell. Was zur Hölle hatte
sie genommen? Sie hatte viel mitgemacht in den letzten Tagen, aber eine Angst
wie in diesem Moment hatte sie noch nie gespürt. Glaubte sie jedenfalls.
Genauso musste es sich anfühlen, wenn man verrückt wurde. In der Vergangenheit
hatte sie den Gedanken ans Durchdrehen manchmal ganz cool gefunden, aber im
Moment machte er ihr eine Totalscheißangst.
    Sie klammerte sich an das stinkende Monster vor ihr.
    »Reußische Mühle!«
    Marie drückte ihr Gesicht in Bastis Rücken, Monster
hin, Gestank her. Irgendwie hatte sie den Eindruck, dass es ihr guttat,
möglichst wenig von dem mitzubekommen, was gerade um sie herum geschah. Die
weiteren Ortsangaben von Basti, Schleifmühle, Kloster Marienthal,
Antoniuskapelle, Nothgottes, drangen nur von Weitem und mühsam durch ihre
Gehörgänge ins überreizte Gehirn.
    »Krankenhaus Rüdesheim!«
    Sie waren zum Stehen gekommen. Marie rieb sich die
Augen. Gerade noch waren sie durch ein bewaldetes Tal gefahren, und sie hatte
Angst gehabt durchzudrehen, nun standen sie mitten in Rüdesheim vor dem
Krankenhaus.
    »Eine schöne Fahrt, stimmt’s?«
    »Klar.« Marie holte tief Luft. Sie hatte keine Ahnung,
was mit ihr los gewesen war, aber sie spürte, dass der Anfall gleich vorbei
war.
    »Bitte aussteigen, die Fahrt endet hier!« Basti
lachte.
    Sie stieg vom Quad. Die Knie waren noch etwas weich,
und die Hände zitterten, aber die fürchterliche Kälte wich aus ihrem Bauch.
Noch ein paarmal tief Luft holen. Sie war in Rüdesheim, sie stand mit Basti vor
dem Eingang des Krankenhauses, er hatte sein Versprechen wahr gemacht und sie
hierhergebracht. Sie wollte ihre Freundin Annika besuchen und das Handy
zurückbringen, das sie sich ausgeliehen hatte.
    »Wartest du hier auf mich?«, fragte sie ihren
Begleiter.
    Basti nickte, es schien ihm allerdings nicht recht zu
sein, dass sie ihn allein lassen wollte.
    »Aber zurückkommen. Versprochen und nicht gebrochen?«
    »Na klar!«
    Sie ging ins Krankenhaus und fragte an der Pforte nach
Annika Möller. Die Frau hinter dem Tresen sah sie so komisch an, dass sie schon
fragen wollte, ob irgendetwas mit ihrem Gesicht nicht in Ordnung sei. Aber den
Nasenring hatte sie schon vor zwei Wochen wieder herausgenommen, weil er
gestört hatte, wenn sie in einen Apfel beißen wollte. Also, was glotzte die
Frau so blöd? Erwachsene konnten ziemlich komisch sein.
    Trotzdem bedankte sie sich in höflichstem Ton, als die
Frau ihr die Station genannt hatte, auf der die Freundin lag.
    Sie fand Annika auf dem Balkon am Ende des
Stationsflurs. Von hier aus hatte man eine gute Sicht über Rüdesheim, den Rhein
und die Weinberge bis hin zur Germania, die zurzeit durch ein Gerüst verborgen
war. Die Alte brauchte offenbar eine Generalüberholung.
    »Hi, Marie«, begrüßte die Freundin sie. »Das ist ja
mal eine Überraschung! Willst du eine Flippe? Das Beste an dem Balkon ist, dass
einem die Schwestern hier das Rauchen nicht verbieten.«
    »Nein, danke. Hab’s mir abgewöhnt. Wie geht’s?«
    »Beschissen. Sie sind hinter mir her.« Annika zog
hastig an ihrer Zigarette, schnipste sie über das Balkongeländer und zündete
sich eine neue an.
    Annika mit ihrer Paranoia, dachte Marie. Aber dann
erinnerte sie sich an ihre Angst, vorhin auf dem Sozius. Vielleicht sollte sie
nicht so schnell urteilen.
    »Wer ist hinter dir her?«
    »Das willst du gar nicht wissen.«
    »Warum frag ich dann?«
    Annika grinste. »Alle sind hinter mir her. Das
Arschloch und seine Freunde, die Bullen, mein doofer Bruder.«
    »Geht’s ein bisschen genauer?«
    »Ich will dich da nicht reinziehen, Kleines.«
    »Nenn mich nicht Kleines! Außerdem bin ich

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