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Frau im Schatten: Eine Familiengeschichte (German Edition)

Frau im Schatten: Eine Familiengeschichte (German Edition)

Titel: Frau im Schatten: Eine Familiengeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorinde van Oort
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Oud’schen Familienlebens werden. Von nun an trafen sich die drei Söhne dort, mit ihren Familien; sie feierten dort Weihnachten und Nikolaus mit ihrem Vater und seiner Hausgefährtin. Enkel, Nichten und Neffen, aber auch Verwandtschaft von Annetjes Seite, kamen oft zu mehrtägigen Besuchen.
    Piet und Rob Vlek verbrachten dort ihre Ferien, immer zusammen, immer gleich gekleidet.
    Ob für Annetje ihr Leben am Overtoom immer ein Vergnügen war, mag bezweifelt werden.
    In einem Brief von 1921 – kaum zwei Jahre nach Annetjes Entree bei Oud – antwortet die Leiterin der Arnheimer Agentur für Private Krankenpflege auf eine Bitte Annetjes umPapiere, die sie braucht: Sie will sich als Wochenpflegerin in Den Haag eintragen lassen.
     
    Liebe Schwester Beets, es war keine Unfreundlichkeit von mir, dass ich Ihnen nicht gleich geantwortet habe. Ich war außerhalb der Stadt, als mich Ihr Schreiben erreichte, zusammen mit Ihren freundlichen Grüßen in Form der schönen Vase mit Blumen. Dafür danke ich Ihnen ganz herzlich. Was tut es mir leid, dass Sie uns so untreu geworden sind, aber es ging natürlich nicht anders. Ich werde Ihre Unterlagen nach Den Haag schicken, doch in dem Fall muss ich von Ihnen noch
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6   Beitrag für dieses Jahr erhalten. Ich lege Ihren Nachweis der Mitgliedschaft bei. Ich rechne übrigens fest damit, dass Sie mich aufsuchen, wenn Sie nach Arnheim kommen. Sind Sie die ganze Zeit bei der Fam. Oud gewesen? Ist die gnädige Frau genesen, wie ist es gegangen? Nun, Schwester Beets, ich wünsche Ihnen viel und schöne Arbeit in Den Haag. Sollte es Ihnen dort nicht gefallen, kommen Sie bitte nach Arnheim zurück, wo Sie immer willkommen sind. Mit freundl. Grüßen, Ihre ergebene L.   I. van Ginkel van den Hoebe
     
    In den ersten Jahren am Overtoom hat Annetje also durchaus noch Versuche unternommen, sich von Oud zu trennen und wieder ihren alten Beruf zu ergreifen. »Eine Zeit lang war es aus zwischen ihnen, das weiß ich noch gut«, bestätigte Diny. Doch zu einem Wegzug nach Den Haag kam es nie. Oud muss Annetje irgendwie überredet haben zu bleiben.
    1923 bekam ihre jüngste Schwester Jopie ihr erstes Kind: Mary, meine Mutter. 1926 folgte ein Bruder, Wim. Ihre ›Tante Ann‹ empfing sie am Overtoom, wo die Kleinen auf ihrem Schoß thronen in dem schicken Interieur, zwischen Möbeln herumkrabbeln, die später in Vosseveld gelandet sind. Auf den Schnappschüssen ist sogar das Spielzeug zu erkennen, mit dem auch wir als Kinder gespielt haben: das Murmelspiel, das Mosaik aus Holz, der Baukasten, die inzwischenvon vielen Lesern zerfledderten
Fahrten und Abenteuer des Herrn Steckelbein.
Meine Mutter hat ihre Kindheitserinnerungen an das Haus am Overtoom einmal niedergeschrieben, etwa fünf Jahre nach Oma Annetjes Auszug aus Vosseveld. Es war ein Versuch, die Beziehung zwischen ihnen zu kitten, die durch die katastrophale Zeit des Zusammenlebens arg gelitten hatte. Meine Mutter war damals einundfünfzig. Oma Annetje hat ihr den liebevollen Bericht kommentarlos zurückgegeben. Ich weiß noch, wie tief das meine Mutter damals verletzt hat.
     
    Eine Handvoll Notizen, Erinnerungen an die liebste Tante der Welt, niedergeschrieben von ihrer Nichte Mary im Jahr 1974
     
    Unvergessliche Feste waren die Besuche am Overtoom. Das Gästezimmer oben vorne mit dem großen Doppelbett, das geheimnisvolle Schwämmchen mit Mückenzeugs über dem Bett, an der Zugleine des Lichtschalters. Das Geräusch der ersten Schritte auf der Straße, wenn man aufwachte, das bald in ein anhaltendes Verkehrsgesumm überging. (…) Der Garten, die Gartenbank und die Stühle, der Weg aus Muschelsand, das steinerne Füchschen. Johan Braakensiek, der auf Besuch kam und sich meinen Zeichenblock ansah und mir Ratschläge gab, welche Bleistifte ich benutzen sollte. Das Billardspielen mit Onkel Oud. Das Fest der Teestunde. Der Sessel von Onkel Oud, in dem er sein Nickerchen hielt mit dem Hündchen Tim auf der Schulter; das Bild mit dem rauchenden Mann, der die Buchstaben OUD aus seiner Pfeife kringeln ließ. Das hatte Johan Braakensiek ihm geschenkt. Wim und ich hatten stundenlang zu tun mit einem Stapel
Humoristen
, später mit den gebundenen Jahrgängen von
Het Leven
. Das Glas ›Fosco‹, noch herrlicher als zu Hause, so wie alles, das man dort aß und trank. Das glatte Toilettenpapier in der Toilette oben, neben der noch ein Treppchen hinaufführte zur Bügelkammer – von der halben Treppe nach oben konnteman einfach so ins WC gucken! Der

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