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Frau im Schatten: Eine Familiengeschichte (German Edition)

Frau im Schatten: Eine Familiengeschichte (German Edition)

Titel: Frau im Schatten: Eine Familiengeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorinde van Oort
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erschien – kein Lepel. Meine Nervenanspannung wird davon nicht besser. Ich glaube, es war schon halb zwölf, als er endlich kam, begleitet von Dr. und Schwester D.   Ich war von der Tortur des Wartens etwas benommen. Da dachte ich: Sollte er jetzt nicht fragen, wann wir abreisen würden? Nichts dergleichen. Wir tranken Kaffee in dem bekannten Besucherzimmer. Nun erwartete ich, dass wir jetzt endlich aufbrechen würden. Von wegen! Es zog sich hin. Ungefähr um ein Uhr sind wir dann von Swammerdam aufgebrochen. Ein dummer Fußmarsch zum Bahnhof Den Dolder. Dort stellte sich heraus, dass wir mindestens noch eine Stunde warten mussten. Nicht die geringste Erklärung, warum wir so spät aufbrechen mussten. Ich meinerseits hüllte mich in Schweigen und wartete ab. Endlich kam der Zug nach Utrecht. Proppevoll. In Utrecht zuerst langes Warten, dann Umsteigen in den Zug nach Arnheim. Auf dem Bahnhof dort herrschte ein grauenvolles Gedränge. Wir gingen nach draußen und setzten uns unter ein Vordach. Für mich schrecklich! All die Menschen!! Es war zu schlimm, unbeschreiblich   … später der Bus   … und dann viel später Dinxperlo.
    Aber heute ist nach zwei schlaflosen Nächten plötzlich eine herrliche Verbesserung eingetreten. Soweit der 3.   Dienstag. Morgen weiter.
    …
    Eine schreckliche Nacht – will ich unten das WC benutzen, dann ist es ein Tasten und Fühlen, und meistens lande ich ganz woanders, als ich gedacht habe. Die Stufen tastend hinunter, und dann muss ich mich eilen, sonst passiert ein Missgeschick. Die Zimmer hier sind einfach Eisschränke. Die Kälte legt sich einem schwer auf den Leib. Selbst die Eingeborenen, so will ich siemal nennen, zittern und bibbern. Da halte ich es doch noch sehr gut aus. Über die Kleidungsstücke, die ich gerne hätte, schreibe ich noch. Ich trage nichts anderes als den beigen Sommeranzug ohne Weste, den wir zusammen gekauft haben. Ansonsten ist da nur noch der dicke Winteranzug. Wie es möglich ist, dass ich nur diese zwei Dinge habe, ist mir ein Rätsel. Das gehört auch zu den Dingen, die aus meinem Kopf hin und wieder einen Bienenschwarm machen.
     
    [hier war ein Teil des Papiers verbrannt]
     
    Was Du während meiner Krankheit geleistet hast, grenzt ans Übermenschliche. Dass Du dadurch selber vollkommen die Beherrschung über deine Nerven und Kräfte verloren hast, wie konnte es anders sein? Und ich – ich war zu weit entfernt, um das alles bemerken zu können, lebte dahin ohne Bezug zur Welt um mich herum, hatte absolut kein Bewusstsein, wie groß Deine aufopfernde Liebe für mich eigentlich war –
    Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, was Du in einem Deiner ersten Briefe geschrieben hast: Irgendwas von wegen ich sollte zur alten Vertrautheit mit Dora zurückfinden. Nein, das ist unmöglich! Es gab bei mir nur ein paar Erinnerungen an die Zeit meiner ersten Ehe. Nichts veranlasste mich, etwa tatsächlich in Dinxperlo sein zu wollen. Es ist zu absurd! Ich hätte das unter normalen Umständen sofort abgelehnt. Von wem kam doch dieser Vorschlag? Sollte ich diesem Plan tatsächlich zugestimmt haben, dann nur in dem unausgesprochenen Gedanken, dass es eine List wäre, mich aus dem ›Gefängnis‹ zu kriegen. Der peinigende Gedanke, absichtlich festgehalten zu werden durch die Verschwörung von Menschen, die da etwas ausgeheckt haben.
     
    Großvater, gerade erst aus Den Dolder entlassen, hatte sich offensichtlich gefragt, warum, und durch wen veranlasst, ernach Dinxperlo gebracht worden war, in den kleinen Ort, wo seine erste Frau Dora und ihre Familie wohnten: eine lange, heiße Reise mitten im Krieg, während Vosseveld nur einen Steinwurf entfernt von Den Dolder lag, nur eine Station mit dem Zug.
    Oma Annetje kann doch nicht wirklich gehofft haben, ihn mit Dora zu versöhnen, so wie er es anscheinend verstanden hatte? Er war doch schließlich mit
ihr
verheiratet, und das schon seit anderthalb Jahren! Und warum hatte er so wenig Kleidung bei sich gehabt?
    Von einem folgenden Brief waren die Ränder weggebrannt, aber aus den Resten, auf frischen A 4-Blättern geordnet, ließ sich Folgendes rekonstruieren:
     
    ... Frau,
    ... mich doch aus diesem Elend erlösen. Ich liege schon wochenlang zu Bett und nichts   ...
    ... Ödem ist verschwunden, aber gehen kann ich nicht   ...
    ... Kleidung und alles versteckt ist.
    ... bedauerlich, dass ich Lepel nicht mit mehr Entschlossenheit auf dem Laufenden   ...
    ... ist. Komm dann auf alle Fälle selber. Meine

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