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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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verdienen«, erwiderte ich.
    Er lachte: »Ich kann nicht klagen. Ich bin gut im Geschäft und kann zufrieden sein. Oder fällt das, was ich mache, auch in Ihre Rubrik ›Scheiße‹?«
    »Keine Ahnung. Ich habe Sie noch in keinem Film gesehen, ich gehe selten ins Kino. Ist das schlimm?«
    »Tatsächlich? Sie gehen selten ins Kino?«
    »Eigentlich nie. Zweimal im Jahr vielleicht.«
    »Ich könnte mir jeden Tag drei Filme ansehen. Wenn ich nicht Schauspieler wäre, dann würde ich als Filmvorführer arbeiten. Kino ist für mich das Beste am Leben, schöner als jede andere Kunst. Von der Malerei abgesehen selbstverständlich. Darum bin ich schließlich hergekommen. Zeigen Sie mir Ihre Bilder?«
    »Interessiert es Sie denn?«
    »Ja. Oder vielmehr, Sie interessieren mich. Und da dachte ich mir, wenn Ihre Bilder auch so schön sind wie Sie, dann kaufe ich mir eins.«
    »Ein Aktbild von mir?«
    »Das wäre am allerschönsten. Das kaufe ich unbesehen.«
    »Damit kann ich Ihnen nicht dienen.«
    »Vielleicht kann ich ein Aktbild bestellen?«
    »Ich male nicht auf Bestellung. Ich male nur, was ich will.«
    »Zeigen Sie mir Ihre Bilder?«
    Wir gingen ins Wohnzimmer. Ich ging voraus und hängte rasch ein weißes Tuch über das Bild, an dem ich arbeitete. Dann holte ich zwei meiner Mappen aus dem Holzgestell neben dem Schrank, legte sie auf die Liege, öffnete die drei Schleifen, mit denen sie verschlossen waren, und sagte ihm, er könne sich diese Blätter ansehen. Ich setzte mich auf den Lehnstuhl und sah zu, wie er unbeholfen die erste Mappe öffnete, sich die Blätter zurechtlegte und verlegen blätterte. Er war unsicher, sagte irgendetwas Höfliches, wusste aber nicht wirklich etwas damit anzufangen. Drei Blätter nahm er aus den Mappen und legte sie beiseite, zwei Aquarelle und einen Holzschnitt. Nachdem er die Mappen durchgesehen hatte, versuchte er die Blätter zu ordnen, um sie wieder in den Mappen verstauen zu können. Ich stand rasch auf, drängte ihn beiseite, schob meine Blätter zusammen und klappte die beiden Mappen zu.
    »Diese drei Blätter möchte ich kaufen. Vorausgesetzt, Sie wollen sie verkaufen und sie sind bezahlbar.«
    »Alle drei?«
    »Ja. Sie bekommen bei mir einen Ehrenplatz. Direkt neben dem Kamin.«
    »Jedes Aquarell kostet vierzig, der Holzschnitt fünfundzwanzig.«
    »Das ist zu billig, Paula. So kommen Sie nie auf einen grünen Zweig. Sagen wir, alle drei für hundertfünfzig. Dafür wickeln Sie sie mir gut ein.«
    Er legte zwei Geldscheine auf die zugeklappten Mappen.
    »Und warum diese drei?«, fragte ich ihn.
    »Die Farben, die Landschaft, die Aufteilung des Bildes, ich weiß es nicht. Sie sprechen mich an, sie gefallen mir einfach. Ich kann nicht darüber reden, ich bin kein Kunstprofessor.«
    Ich nahm die Blätter, rollte sie zusammen und steckte sie in eine der Papprollen, die ich mir aus der Hochschule mitgenommen hatte. Als ich mich über die Liege beugte, streichelte er mit einem Finger meinen Hals und meinen Rücken. Ich ließ es zu, reagierte überhaupt nicht darauf, sondern stöpselte die Rolle zu und gab sie ihm.
    »Meine Bilder interessieren Sie doch gar nicht.«
    »Sagen wir, ich bin nicht allein der Bilder wegen gekommen, Paula. Aber was du machst, interessiert mich schon.«
    Er griff nach meinem Arm, ich wich zurück und setzte mich wieder auf den Stuhl.
    »Ich vermute, in Ihren Augen bin ich eine Ihrer zukünftigen Eroberungen. Aber da irren Sie sich. Dafür bin ich mir zu schade.«
    »Ich kam, weil wir verabredet waren. Weil du mir deine Bilder zeigen wolltest. Dass du mir gefällst, gebe ich gern zu, aber du machst dir völlig falsche Vorstellungen von mir. Ich bin kein frauenverschlingendes Monstrum.«
    Ich funkelte ihn verächtlich an, er lachte auf. Ich hatte ihm gesagt, ich hätte kein Bedürfnis, mit einem Mann zusammen zu sein, und obwohl er mir offensichtlich nicht glaubte, war es die Wahrheit.
    Jan gefiel mir. Er verströmte den angenehmen Geruch eines mit sich zufriedenen Menschen. Unglückliche Menschen kannte ich zur Genüge, beginnend mit meiner Mutter und meinem Vater hatte ich mehr unglückliche als glückliche kennengelernt, und ich fand sie lästig, belästigend. Unglückliche Menschen sollten sich zurückziehen,so wie früher die Pestkranken, sie sollten an entlegenen Plätzen leben, nur mit sich und ihresgleichen, und andere Menschen lauthals vor sich warnen, denn Unglück ist genauso ansteckend wie eine Seuche, mich jedenfalls deprimieren solche Leute. Ich

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