Frau Paula Trousseau
Wut.
»Bin ich nicht«, erwiderte ich überrascht. Ich war erschrocken über seinen plötzlichen Ausbruch. »Ich bin überhaupt nicht arrogant, ich habe nur von Kino und Film keine Ahnung, und das hatte ich dir gesagt.«
Ich war so aufgeregt, dass ich ihn plötzlich duzte.
»Ich verstehe ein bisschen was von Malerei und von Grafik. Und vielleicht auch etwas von Musik, denn ich gehe gern ins Konzert, lieber ins Konzert als in die Oper, aber von allem anderen habe ich keine Ahnung. Ich finde es sehr interessant, was du machst, aber ich verstehe zu wenig davon. Meine Meinung ist völlig unwichtig.«
»Für mich aber nicht, weil du für mich wichtig bist.«
»Und nun?«, fragte ich ratlos. »Soll ich dich anlügen, dir irgendwelche netten Sachen erzählen?«
»Schon wieder diese Arroganz! Wieso bist du so überheblich?«
Er schnaufte erneut vernehmlich und schaute michganz unglücklich an. Er hatte sich verliebt, und er tat mir leid, weil er ausgerechnet auf mich verfallen war, aber das war nicht meine Schuld. Er hatte sich verliebt, und daraus leitete er umgehend ein paar Rechte ab, das Recht, mir Vorwürfe zu machen, mich zu beleidigen, irgendetwas zu verlangen.
Jan redete und redete, ich schaute ihm in die Augen und war in Gedanken bei meiner Arbeit. Irgendwann sagte er, er warte noch immer auf eine Antwort, eine Antwort auf eine Frage, die ich nicht mitbekommen hatte, und da ich ihn nicht bitten wollte, seine Frage zu wiederholen, sagte ich ihm, er solle mich allein lassen.
»Also, bis Sonntag«, verabschiedete er sich schließlich, »du machst für uns das Frühstück, und ich bin für den Rest des Tages zuständig.«
Beim Verlassen der Wohnung schlug er die Tür laut zu, im letzten Moment hatte er wohl die Beherrschung verloren. Ich ging an den Schreibtisch und schlug den Skizzenblock auf, aber ich war unfähig, auch nur einen Strich zu machen. Ich ärgerte mich über Jan, ich ärgerte mich über mich selbst, schlug resigniert den Block zu und ging zum Telefon. Kathi freute sich, meine Stimme zu hören. Ich erzählte ihr, dass ich jetzt ein eigenes Telefon besäße und dass ich sie gern sehen würde. »Seit wann hast du ein Telefon?«
»Seit einer Woche.«
»Und da rufst du mich jetzt erst an! Ich hätte die Erste sein müssen, die Allererste.«
»Du bist die Erste, Kathi.«
»Wirklich? Glaube ich nicht.«
»Hast du Zeit für mich?«
»Wann?«
»Gleich. Sofort. Ich möchte etwas unternehmen, und da bist du mir eingefallen. Hast du Zeit?«
»Nein, das geht heute nicht, ich bin schon verabredet. Es ist zwar nur ein Kerl, aber ich will ihn nicht versetzen, mit ihm könnte es etwas werden. Möglicherweise ist er das Glück meines Lebens.«
»Gratuliere. Dann sehen wir uns ein andermal.«
»Vielleicht übermorgen, Paula?«
»Ich weiß noch nicht, ich melde mich.«
Über ihren neuen verheißungsvollen Bekannten wollte sie mir am Telefon nichts sagen, sie würde mir alles erzählen, wenn wir uns treffen. Ich erkundigte mich nach ihrer Arbeit und gab ihr meine Telefonnummer, ich musste sie aus dem Adressverzeichnis in meinem Kalender heraussuchen, ich kannte sie nicht auswendig.
Ich hatte gehofft, den Abend mit Katharina zu verbringen, ich wollte den schlechten Geschmack loswerden, das bedrückende Gefühl, das Jans Besuch bei mir ausgelöst hatte. Ich schlug wieder den Kalender auf, suchte die Telefonnummer von Sibylle Pariani heraus und wählte nahezu automatisch. Als sie sich meldete, zuckte ich zusammen, und erst nachdem sie sich wiederholt nach dem Namen des Anrufers erkundigt hatte, war ich imstande, mich zu melden. Sie behauptete, im selben Moment an mich gedacht zu haben, und fragte, ob wir uns treffen könnten.
»Gern«, sagte ich.
»Wenn du Lust hast, wie wäre es mit heute?«, fragte sie. »Ich bin seit drei Tagen Strohwitwe. Du würdest mir einen Riesengefallen tun, Paula.«
Mir stockte der Atem, ich wurde ganz unruhig und wusste nicht, was ich antworten sollte.
»Bist du noch am Telefon?«, erkundigte sie sich.
»Jaja«, sagte ich, »entschuldige, Sibylle, ich komme gern. Ich bin in einer Stunde bei dir.«
»Ich freue mich, Paula«, sagte sie ganz weich, »ich freue mich sehr.«
Ich ging ins Bad und starrte mich sekundenlang im Spiegel an, lachte laut über mich, nahm mein Schminkzeug und machte mich zurecht. Bevor ich das Haus verließ, blätterte ich in den beiden großen Skizzenblöcken, riss ein Blatt heraus, auf dem ich mit Bleistift und Kohle Baumstümpfe und bizarre Äste
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