Frau Paula Trousseau
skizziert hatte, steckte es in eine Papprolle, nahm es aber umgehend wieder heraus, um es noch mal anzusehen. Sibylle war allein und ich würde Marco Pariani nicht treffen, aber das Blatt würde er gewiss irgendwann zu Gesicht bekommen, und ich wollte sicher sein, dass er nichts daran auszusetzen fand.
6.
Ich fuhr mit der Straßenbahn zu ihr. Nachdem ich geklingelt hatte, kam sie ans Gartentor und umarmte mich, und ich schloss meine Arme fest um sie. Leben ist so einfach, ganz einfach, es sind unsere Ängste, die es so schwer machen, meine Ängste, all meine unsinnigen Ängste.
Sibylle hatte Tee gemacht und erkundigte sich, wie es mir gehe. Ich musste ihr alles erzählen, was seit dem Ende des Studiums passiert war. Bei ihr war alles unverändert. Sie liebte ihren Pariani, versorgte das Haus und den Garten, genoss die Gesellschaften, die sie gaben und zu denen sie eingeladen wurden, und die Premieren und Ausstellungseröffnungen waren Festtage für sie.
Nach dem Tee gingen wir in die Küche und machten einen Gemüseauflauf mit Reis, wir aßen gleich in der Küche, an dem schmalen, langen Holztisch, auf dem eine große Vase mit Tannenzweigen stand. Zum Essen gab es für jede von uns ein großes Glas Rotwein, und als Nachtisch stellte Sibylle einen Mohnstrudel auf den Tisch.
Sie wollte wissen, mit wem ich zusammenlebe.
»Mit niemanden. Ich lebe ganz allein.«
»Wirklich?«
»Ja. Und es ist wunderbar. Ich kann es nur empfehlen. Ich tue, was ich will, ich teile den Tag ein, wie ich will. Keiner nervt mich, niemand beschimpft mich. Wenn ich etwas falsch mache, selbst wenn ich eine riesige Dummheit begehe, ist keiner mehr wütend auf mich und schreit mich an. Alles wunderschön.«
»Das ist bei mir nicht anders, Paula, und dazu habe ich noch einen Mann. Bleib nicht für immer allein, Kleine, das ist nicht gut. Nicht gut für dich.«
»Im Gegenteil. Für mich ist es besser so. Ich habe Freunde, manchmal schlafe ich mit einem Mann, und ansonsten bin ich frei und ungebunden. Du ahnst gar nicht, wie schön das ist. Hast du je allein gelebt, Sibylle?«
Sie überlegte: »Nein, eigentlich nie. Ich brauche jemanden. Ich glaube, allein würde ich depressiv werden.«
»Ich bin gern allein. Ich muss mich nicht verstellen. Und für meine Arbeit ist es auch besser.«
»Ach, Paula, du hast nur noch nicht den Richtigen gefunden.«
Sie streckte den Arm über den Tisch und streichelte sanft mit den Fingern meine Wange und mein Haar, und ich küsste ihre Finger und nahm sie, einen nach dem anderen, in den Mund.
»Komm, wir gehen hoch«, sagte Sibylle, »lass einfach alles stehen.«
Es war schön, von ihr geliebt zu werden. Es war schön, von ihr gestreichelt zu werden. Ich schloss nicht mehr die Augen, sondern beobachtete, wie sie mich streichelte und küsste. Und dann warf ich mich auf sie, knabberte an ihrem Ohr, presste meinen Kopf auf ihren Bauch, ihre Brüste, zwischen ihre Schenkel, küsste sie. Ich spürte ihre Erregung, spürte die Bewegungen ihres Körpers, dasZucken ihrer Schenkel. Sie bäumte sich auf, stöhnte laut und schwer. Dann schloss ich die Augen und ließ mich fallen, ließ mich fallen, einfach fallen.
Wir lagen erschöpft nebeneinander unter der Decke, als unten in der Wohnung das Telefon klingelte. Der Wind schlug Regentropfen an die Fensterscheibe, und ich dachte an Jan. Er gefiel mir, aber ich begehrte ihn nicht. Er war ein amüsanter, attraktiver Mann, um den mich viele beneiden würden. Mit ihm könnte ich über meine Kindheit, über meine Ängste reden, das konnte ich mir jedenfalls vorstellen. Er war eigentlich ein idealer Partner für mich, aber ich liebte ihn nicht, ich begehrte ihn nicht, ich hatte keine Sehnsucht nach ihm, er ließ mich kalt. Mit Sibylle ging es mir anders, nach ihr sehnte ich mich, nach ihr und auch nach Katharina. Wenn ich mit Katharina oder Sibylle zusammen war, schwand mein Misstrauen und diese unaufhörliche Anspannung, alles zu kontrollieren, mich zu kontrollieren.
»Du liebst deinen Pariani, nicht wahr?«
»Sehr. Über alles.«
»Und was ist mit mir?«
»Das ist etwas anderes. Etwas ganz anderes. Du bist meine Freundin. Meine intime Freundin.«
»Und mit wem bist du lieber zusammen? Ich meine, so eng zusammen wie jetzt?«
»Du fragst wie ein kleines Schulmädchen. Ich liebe meinen Pariani, und ich bin gern mit dir zusammen. Weil ich dich liebe. Liebe dich selbst auch ein wenig, meine Schöne, dann wird alles ein wenig leichter. Bleibst du über Nacht?«
»Wenn du
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