Frau Paula Trousseau
ich weiterleben sollte. Aber ich habe es überstanden, und heute sage ich mir, es hat mir eine Diät erspart.«
Er sah mich an und atmete schwer durch den geöffneten Mund.
»Ich liebe dich, Paula.«
»Ja, ich habe verstanden. Doch, wie du selbst sagst, wir können uns nicht zu Gefühlen zwingen. Ich habe dich sehr gern, aber es ist der falsche Zeitpunkt, jedenfalls für mich. Vielleicht hätte ich mich vor zwei Jahren in dich verlieben können, doch im Augenblick ist es unmöglich.«
»Und wer ist der Glückliche?«
»Ich versteh nicht.«
»Du hast einen Freund, oder? Mona sagte mir zwar, du würdest allein leben, aber …«
»Ah, der Herr hat Erkundigungen eingezogen. Ja, ich lebe allein. Nein, ich habe keinen Freund. Weil ich keinen haben will. Es ist angenehm, allein zu leben. Ich kann fürmich allein sorgen, ich bin unabhängig, wir leben schließlich nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert.«
»Ja, das ist wahr. Ich weiß nicht, was du für Erfahrungen hinter dir hast. Ich jedenfalls kann nicht allein leben, ich will es nicht. Ich bin schließlich keine Maschine, sondern ein Mensch.«
Ich erwiderte nichts, ich verstand ihn ja.
»Es ist so ein schöner Tag«, sagte ich lediglich, »wir sollten zu deiner Überraschung fahren, zu deinem Freund.«
Er startete den Wagen, wendete und fuhr langsam auf die Landstraße zurück und durch das sonntäglich stille Dorf. Hinter dem Ortsausgang ging ein Feldweg ab. Jan konnte nur noch im Schritt-Tempo fahren und wich auf den seitlichen Grasstreifen aus, wann immer das möglich war. Die Äste der kahlen Sträucher kratzten über den Lack des Wagens. Wir sprachen beide nicht, ich bemerkte, dass er ab und an zu mir sah.
8.
Hinter zwei majestätisch aufragenden Buchen endete der Feldweg in der Toreinfahrt eines Bauerngehöfts. Es war ein alter Großbauernhof, ein Geviert aus verfallenden Stallungen, zwei Scheunen und Mauern, in der Mitte des Hofs befand sich das Wohnhaus mit einer kleinen Freitreppe und steinernen Bänken an ihrem Ende, zwischen Wohnhaus und Hoftor stand ein verwitterter Tisch unter einer Eiche, hinfällige Holzstühle lehnten gegen ihren Stamm. Jan parkte den Wagen hinter dem Tor, zwischen einem Armeejeep und einem Pferdefuhrwerk mit Speichenrädern, das dort wohl schon seit Jahrzehnten stand und zerbröselte. Aus dem Kofferraum nahm er eine eingewickelte Flasche und einen Blumenstrauß.
»Wir sind da«, sagte er, »hier wohnt mein alter Freund Kronauer, Frieder Kronauer. Kennst du ihn?«
»Den Maler?«
Jan nickte.
»Natürlich kenne ich ihn, oder vielmehr seine Arbeiten. Ihn selbst habe ich nur einmal gesehen. Woher kennst du ihn?«
»Er hat mich gemalt, er hat vor sechs Jahren ein Ölbild von mir gemacht. Ich hätte es ihm gerne abgekauft, aber ich konnte es nicht bezahlen. Damals war das noch viel Geld für mich. Seit dieser Zeit sind wir befreundet.«
Die Tür des Wohnhauses öffnete sich, eine Frau erschien oben auf der Freitreppe und winkte uns zu. Jan eilte zu ihr, umarmte und küsste sie und gab ihr die Blumen. Dann stellte er uns vor. Charlotte Kronauer begrüßte mich äußerst freundlich und sprach mich gleich mit dem Vornamen an. Sie war vielleicht zehn Jahre älter als ich, ungeschminkt und trug ein langes weites Leinenkleid, als käme sie eben von der Gartenarbeit oder aus der Küche.
»Frieder ist im Atelier«, sagte sie, »aber kommt erst zu mir rein. Ich mache einen Kaffee oder einen Tee. Zum Mittagessen gibt es Ente, das hat der Meister so bestimmt, und er hat den Vogel auch selbst zerteilt, gespickt und eingelegt. Also vergesst nachher bloß nicht, dieses Kunstwerk zu loben, denn als Koch ist er empfindlich, da ist er wirklich leicht zu kränken.«
Wir folgten ihr ins Wohnzimmer, einen großen hellen Raum, dessen Wände voller Bilder waren, Arbeiten von Kronauer und seinen Kollegen. Ich entdeckte auch einen kleinen Nolde und eine Zeichnung von Liebermann. Neben dem Kamin stand eine Plastik, einen halben Meter hoch, die ein Barlach sein konnte. Charlotte war in die Küche gegangen, und ich hatte Zeit, mir die Bilder anzusehen. Nachdem sie zurückgekommen war, setzte sie sichzu uns, plauderte angeregt mit Jan und beobachtete mich zugleich unverhohlen. Mir schien, als bewundere sie Jan, vielleicht war sie in ihn verliebt. Jan musste von seinem neuen Film erzählen, den sie, wie sie sagte, in ihrer Einöde noch nicht sehen konnten, und er ließ sich nicht lange bitten und lobte sich und den Film, wobei er seine Suada, so hatte
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