Frau Paula Trousseau
ich den Eindruck, mit kleinen Spitzen gegen mich versah. Dann sagte Charlotte, wir sollten zu Frieder ins Atelier gehen, sie habe in der Küche zu tun.
Das Atelier war ein umgebauter Stall. Auf der Nordseite waren großflüglige Fenster eingebaut, eins neben dem anderen, auf der gegenüberliegenden Seite waren die winzigen alten Fensteröffnungen mit Glasbausteinen versehen worden. Der große Raum wurde von einer Zentralheizung geheizt, zehn oder zwölf eiserne Heizkörper mit Rippen waren an den Wänden des Raums verteilt, in der Mitte des Ateliers stand zudem ein riesiger gusseiserner Ofen mit zwei Glastüren, der eher wie ein Kamin wirkte. Drei große Schubladenschränke für die Zeichenblätter und ein bis zur Decke aufragendes Holzgestell für die aufgezogenen Leinwände nahmen vollständig eine ganze Querwand ein. Die Farben und Malutensilien lagen ungeordnet auf zwei Holzbänken und einer alten Wäschetruhe.
Frieder Kronauer war nicht allein, ein junger Mann saß ihm Modell. Kronauer legte den Pinsel ab, als wir eintraten, und umarmte Jan. Mich musterte er abschätzend, er erkannte mich nicht, er konnte sich offensichtlich nicht mehr daran erinnern, dass wir uns einmal bei Freddy Waldschmidt begegnet waren, und ich sah keinen Anlass, es zu erwähnen. Er maß mich von oben bis unten, der sogenannte Kennerblick, dann nickte er Jan anerkennend zu, er schien mit mir zufrieden zu sein. Er sagte, er habe noch eine halbe Stunde zu tun, wir solltenuns bedienen, wobei sein Kopf auf einen Tisch mit verschiedenen Flaschen deutete. Den jungen Mann, der mit freiem Oberkörper auf einem Hocker saß, machte unsere Anwesenheit verlegen, und ich sagte Jan, dass wir besser hinausgehen sollten, um Kronauer nicht zu stören.
Zum Mittagessen stellte Kronauer eine Flasche Wein auf den Tisch und trank sie ganz allein, da alle anderen beim Wasser blieben. Jan lobte immer wieder die Ente, was Kronauer geschmeichelt hinnahm, er erklärte uns ausführlich die Marinade und die Art der Zubereitung. Dann fragte er Jan, was seine neue Freundin denn so treibe.
»Ich bin nicht seine Freundin«, erwiderte ich bestimmt.
Kronauer gab sich überrascht.
»Sie ist eine Kollegin«, sagte Jan.
Kronauer betrachtete mich erneut ganz genau. »Hübsch genug bist du ja, eine richtige Schönheit, du wirst gewiss Erfolg haben«, sagte er schließlich.
»Nein, Paula ist nicht meine Kollegin. Sie ist deine Kollegin, Frieder«, korrigierte Jan, »sie hat Malerei studiert und lebt nun freischaffend.«
Kronauer grunzte, verzog den Mund und warf mir einen Blick zu, als hätte ich ihn belästigt. Er goss sich Wein ein und bat seine Frau, Kaffee zu machen.
»Ach so«, sagte er, »ach Gott, eine Künstlerin, eine Malerin. Seid ihr deswegen zu mir gekommen? Ich protegiere niemanden und nie. Wer etwas taugt, muss sich selbst durchbeißen, das ist nun einmal so in der Kunst.«
»Ich benötige keine Hilfe, ich komm allein zurecht«, sagte ich so giftig wie möglich.
»Paula ist sehr begabt«, sagte Jan, »ich habe schon Bilder bei ihr gekauft. Sie ist wirklich gut.«
Kronauer nickte desinteressiert.
»Du hast in Weißensee studiert?«, erkundigte er sich, »bei wem?«
Ich nannte Namen von Professoren, mir war unbehaglich zumute, ich hatte das Gefühl, wieder Schülerin in einer Prüfung zu sein.
»Nicht die allerschlechtesten Leute«, meinte er, »aber ich halte nicht viel davon, wenn Mädchen malen. Für die gibt es doch die Klassen Mode und Design, das sollten die Damen studieren. Vielleicht bin ich ein Mann aus dem vorigen Jahrhundert oder sogar aus dem vorvorigen, aber für mich haben die Frauen in der Kunst nichts zu suchen. Nicht, weil sie dafür nicht begabt sind, einige von ihnen sind unübertrefflich, sie sind sensibel und fantasievoll, haben ein Gefühl für Farben und Formen, sie haben einen ganz speziellen Sinn für das Material, da haben mich Frauen immer verblüfft. Doch meiner Erfahrung nach missbrauchen Frauen grundsätzlich die Kunst.«
»Vielleicht sind Sie ein Mann aus dem vorigen Jahrtausend.«
»Ach, schöne Paula, bitte glaub mir. Es gibt halt Berufe, für die Frauen wenig geeignet sind oder gar nicht. Wie es umgekehrt Berufe gibt, auf die sich ein Mann nicht einlassen sollte. Und die Kunst ist nichts für Frauen. Seit hundert Jahren wurde es leider üblich, auch Frauen an Kunstschulen zuzulassen. Das nennt sich Fortschritt, und wer sich dem in den Weg stellt, gilt als reaktionär.«
»Das sind Sie ja auch.«
»Schau dir die
Weitere Kostenlose Bücher