Frau Paula Trousseau
nur deshalb Malerinnen wurden, weil sie auf andere Art nicht mit ihren Gefühlen umgehen konnten, weil sie außerhalb der Malerei völlig gefühllos sind. Sie brauchen das Malen, weil sie sich sonst umbringen würden. Ich kenne große Schauspielerinnen, die die Bühne brauchen, weil sie nicht lieben können. Sie benutzen die Bühne und das Spielen, um das zu erleben und auszuleben, was ihnen das Leben verweigert hat.«
»Und? Sind es deshalb schlechte Bilder? Sind diese Frauen keine Maler, taugen sie nichts?«, erkundigte ich mich.
Charlotte unterbrach uns und bat ihren Mann, von etwas anderem zu reden, es werde langweilig.
»Was habe ich denn gesagt?«, brauste Kronauer auf, »ihr habt mich gefragt, und ich habe meine Meinung gesagt. Das ist kein Grund, böse zu werden. Jetzt trinken wir alle ein Glas, und dann zeige ich euch ein paar Arbeiten von mir, wenn ihr wollt. Und dann kannst du mir auch sagen, was du davon hältst. Du brauchst keinerlei Rücksicht zu nehmen, ich vertrage ein offenes Wort, verehrte Dame.«
Charlotte bat mich, ihr in der Küche zu helfen. Erleichtert nahm ich die Gelegenheit wahr, aufzustehen unddiesem selbstgerechten Scheißkerl nicht mehr zuhören zu müssen. Auf den drei großen Küchentischen stapelten sich dreckige Töpfe und Teller, dazwischen lagen Küchenabfälle und aufgerissene Packungen.
»Wollen wir den Abwasch machen?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Das hat Zeit. Das mache ich morgen früh mit meiner Frau Baumann. Ärgere dich nicht über Kronauer, Paula. Am besten, du lachst einfach über das, was er sagt.«
»Ich habe ihm nichts getan. Wieso fällt er über mich her?«
»Komm, machen wir einen Spaziergang. Ich gebe dir meine Fellstiefel und eine dicke Kapuzenjacke, damit du nicht frierst.«
Sie öffnete die Tür zum Wohnzimmer und sagte den Männern, dass sie mir die Gegend zeigen würde, wir wären in einer Stunde zurück. Im Flur holte Charlotte für mich einen Pullover aus dem großen Bauernschrank, und wir packten uns warm ein. Zum Schluss wickelte sie mir noch einen riesigen Wollschal um Kopf und Schulter.
9.
»Zuerst zeige ich dir den Garten«, sagte sie und stapfte voraus. Wir gingen an Kronauers Atelier vorbei zu den hinteren Stallungen und durch einen früheren Pferdestall, er schien noch intakt zu sein, aber es gab keine Tiere mehr. Wir öffneten die hintere Stalltür und standen auf freiem Feld. Eine flache Landschaft zog sich in leichten Wellen weit hin, ein Waldrand war mehr zu erahnen, als zu sehen, eine Senke mit drei riesigen Eschen war der einzige Blickfang in den sich endlos hinziehenden Feldern.
»Das musst du im Frühjahr sehen, wenn es hier grünwird und gelb. Ich habe es am liebsten, wenn sie Raps anbauen, aber meistens ist es Mais, Futtermais. Dann hole ich mir die jungen Kolben, die noch ganz weich sind. Vor einem Jahr standen hier Sonnenblumen, stell dir das vor, das Feld kilometerlang mit Sonnenblumen. – So, und da ist mein Garten.«
Sie zeigte auf ein mit einem Drahtzaun abgetrenntes Feldstück, das sich am Stall und der Mauer entlangzog und von Obstbäumen begrenzt wurde. Zum Teil war die Erde umgegraben, am Zaun waren Beerensträucher zu sehen, ein paar kleine Gewürzsträucher ragten blattlos und verfroren aus der kahlen Erde, das Gärtchen wartete auf das Frühjahr. Charlotte öffnete die Tür und betrat den Garten, ihre Füße dabei sorgsam zwischen die nicht vorhandenen oder zumindest nicht erkennbaren Pflanzen setzend.
»Hier kommen im nächsten Jahr die Erdbeeren hin, die Tomaten setze ich direkt an die Mauer, wegen der Speicherwärme, verstehst du? Die Tomatenpflanzen ziehe ich selber. Hierhin kommen die Gurken, dort der Kopfsalat und Radieschen und Dill, ganz viel Dill. Dahinter Radicchio, Zucchini, Sellerie, Fenchel, Kresse und Lauchzwiebeln. Seit ein paar Jahren mache ich immer drei, vier Reihen Kartoffeln, eine frühe Sorte, es schmeckt einfach besser, was man selber anbaut. Und dann etwas Pastinak, Rettich und Möhren. Aber vor allem Kräuter, Borretsch, Pimpinelle, Koriander, dann Liebstöckel, Rosmarin, Thymian und so weiter. Und das Übliche, also Schnittlauch und Petersilie, Basilikum, winterharten Salbei und Minze. Mit Kräutern packe ich den ganzen Garten voll. Voriges Jahr hatte ich Ysop, hat mir gar nicht geschmeckt, da ist mir die Zitronenmelisse lieber, die kannst du genauso verwenden. Und Majoran baue ich nicht mehr an, dafür nehme ich Oregano.«
Charlotte lief in ihrer dicken Felljacke durch den
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