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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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Kunstgeschichte an, die Malerei, das ist kein Frauenberuf, sie haben da nie etwas geleistet und werden nie etwas zuwege bringen. Das ist nicht auf dich gemünzt, du musst mich nicht so grimmig anfunkeln, es ist eine allgemeine Wahrheit. Schließlich existieren noch immer ein paar Unterschiede, und es wäre besser für dich, wenn du sie beizeiten erkennst, um nicht deine Jahre zuvergeuden. Es gibt auch keine weiblichen Trompeter, keine nennenswerten jedenfalls, den Frauen liegen Geige und Harfe besser, ist von der Natur so vorgesehen. Für Boxen und für Krieg sind sie doch auch nicht geeignet, das muss man einfach anerkennen. Und Malerei und Bildhauerei sind Männerberufe. Ich kann jedem Mädchen nur abraten, es auch nur zu versuchen. Das war der Grund, weshalb ich keine Professur in Weißensee wollte, ich hatte gleich gesagt, dass ich strikt dagegen bin, Mädchen zu immatrikulieren. Da haben sie das Maul verzogen, denn wir sind ja jetzt alle so fortschrittlich. Und da habe ich gesagt, danke, ich habe nicht vor, mit sinnlosem Unterricht meine Zeit zu vergeuden, ich komme auch so klar. Überdies, das sind doch fast alles gescheiterte Existenzen, diese Kunstprofessoren. Kommen anders nicht zurecht und unterrichten deswegen. Das ist nichts für einen wirklichen Künstler.«
    Charlotte kam mit dem Kaffee und stellte uns Tassen hin.
    »Was ist?«, erkundigte sie sich besorgt, da wir alle schweigend am Tisch saßen.
    Jan erwiderte: »Frieder hat uns eben klargemacht, was er von weiblichen Malern hält. Du kennst ihn ja.«
    »Ach Gott«, sagte sie nur. Sie wandte sich mir zu: »Mach dir nichts draus, Paula. Und diskutiere nicht mit ihm, versuche es erst gar nicht, du wirst meinen Kronauer auch nicht ändern können.«
    »Was denn, was denn!«, brauste Kronauer auf. »Habe ich irgendetwas Falsches gesagt? Dann nennt mir mal zwei, drei Namen von Frauen, die als Maler was taugen. Und kommt mir jetzt bitte nicht mit irgendwelchen Modernismen, dieses Zeug muss seine Gültigkeit erst mal erweisen, da werden wir in fünfzig Jahren noch einmal darüber reden. Es gibt Ausnahmen, natürlich, es gibt ein paarFrauen, die es geschafft haben, wirkliche Künstlerinnen. Aber ihr könnt nicht die Ausnahme zur Regel erklären.«
    »Aber Paula ist wirklich gut, Frieder. Du solltest dir ihre Arbeiten ansehen.«
    »Schön. Dann bring mir das nächste Mal ein paar deiner Blätter mit. Dann werden wir sehen.«
    »Das werde ich ganz gewiss nicht tun.«
    »Nun spiel nicht die Gekränkte. Ich bin doch nicht so. Ich bin kein Frauenverächter, ganz im Gegenteil. Das weibliche Modell, da geht nichts drüber, das kann man bei den alten Kirchenmalern sehen. Welch eine Erotik bei den Marien und Magdalenen! Da vibriert die Luft vor Sinnlichkeit. Als ich mit siebzehn, achtzehn das Studium anfing, habe ich nur Frauen gemalt, immerzu Brüste und Schenkel. Im ersten Studienjahr hatten wir Akt, mein Gott, ich habe nichts als dicke Kreise gemalt, Brüste und Arschbacken, ich konnte gar nicht anders, ich sah gar nichts anderes. Und ich war heilfroh, dass es Frauen gibt. Und das bin ich heute noch. Versucht nicht, mir einreden zu wollen, dass ich Frauen verachte.«
    »Aber sie taugen nur als Modell, oder?«
    »Was heißt: nur! Botticellis Madonnen, seine Venus, die Rembrandtschen Weiber, die besitzen ihre eigene Bedeutung. Mit Stillleben und Rosenblüten, mit Seestücken, mit Bergschluchten und Kreidefelsen wäre diese enorme Wirkung nie zu erreichen gewesen. Sag selbst, Jan, wem würdest du lieber begegnen, dem alten Botticelli oder vielleicht doch eher dem Modell seiner Venus, na? Von wem träumst du, wenn du diese Bilder siehst, vom Maler oder von dem Mädchen? Also redet mir nicht abfällig von den Modellen, wenn ihr mich nicht ärgern wollt. Ich jedenfalls bete sie an. Ich knie vor ihnen.«
    »Nicht nur das«, sagte Charlotte spitz.
    »Gut, gut, gut, Lottchen. Lass gut sein. Wir wollenunsere Gäste nicht langweilen. Ich rede halt, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Vielleicht bist du die große Ausnahme, Mädchen, und bekehrst mich. Kann ja sein. Bring mir ein paar Arbeiten, zeig mir etwas vor. Wenn du mich überzeugen kannst, wirst du in mir den glühendsten Verehrer finden.«
    »Nein. Und ich brauche auch keine Protektion. Ich bin rein zufällig hierhergekommen. Ich habe Jan begleitet, ich wusste gar nicht, dass er zu Ihnen wollte, er hat es mir vorher nicht gesagt.«
    »Kratz mir nicht die Augen aus, schöne Frau. Weißt du, ich habe erlebt, dass Frauen

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