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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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winterlich tristen Garten und verwies wie ein General bei jeder Pflanze auf ein bestimmtes Stück Erde, offenbar hatte sie bereits genau festgelegt, wohin sie im kommenden Frühjahr die verschiedenen Gemüse pflanzen und wo sie ihre Kräuter anbauen wollte. Sie strahlte mich an und wartete, was ich dazu sagen würde. Ich nickte hilflos.
    »Gefällt es dir?«, fragte sie, da ich nichts sagte.
    »Nun ja. Noch ist nicht viel zu sehen, Charlotte.«
    Sie schaute überrascht auf ihren Garten und brach dann in ein Gelächter aus.
    »Nicht viel zu sehen, das ist die Übertreibung des Jahres. Du musst mich für verrückt halten, Paula, außer dem Salbeistrauch gibt es gar nichts zu sehen, aber in der Arbeit mit meinem Gärtchen gehe ich völlig auf. Wenn du wüsstest, wie ich auf die Sonne warte, auf das Frühjahr, damit ich endlich wieder in der Erde wühlen kann.«
    »Ich kann es mir vorstellen.«
    »Ich sei eigentlich eine Bäuerin, sagt Kronauer immer, und er hat wahrscheinlich gar nicht so Unrecht. Aber lass uns spazieren gehen. Wollen wir in unser Wäldchen? Bis zum Wald ist es zu weit, da müssten wir mit dem Auto fahren. Willst du?«
    »Gehen wir zu dem Wäldchen.«
    »Seid ihr schon lange zusammen?«
    »Ich bin mit Jan nicht zusammen. Ich glaube, er hätte es gern, aber ich will nicht.«
    »Er ist sympathisch. Ich habe ihn ganz gern«, sagte sie, und fügte hinzu: »Und es wäre eine gute Partie für dich.«
    »Danke, aber eine gute Partie, das hatte ich bereits. Das hatte ich bereits zweimal.«
    »Das hört sich nicht gut an.«
    »Das war auch nicht gut. Lieber einen armenStudenten, den ich durchfüttern muss, als diese unentwegt eingeforderte Dankbarkeit.«
    »Da hast du vermutlich Recht. Es ist allerdings bequemer, wenn man nicht jeden Pfennig zweimal umdrehen muss.«
    »Wie ist das mit Kronauer? Ihr seid schon lange zusammen, oder?«
    »Neun Jahre. Eine lange Zeit. So lange war Kronauer mit keiner Frau zusammen, darauf kann ich mir was einbilden. Aber möglicherweise liegt es nur am Alter, er ist immerhin bald sechzig, zweiundzwanzig Jahre älter als ich. Warst du mal mit einem Älteren zusammen, ich meine, mit einem viel Älteren?«
    »Ja. Das war so eine der guten Partien, um die mich alle beneideten. Irgendwann habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten und bin abgehauen.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt lebe ich allein.«
    »Und du kommst zurecht?«
    »Wunderbar.«
    »Auch mit der Arbeit?«
    »Es geht. Es ist schwierig, wenn man ganz am Anfang steht. Ich habe keinen Namen, keine Käufer, da muss man Klinkenputzen gehen. Da ist Gebrauchskunst gefragt und nicht Kunst. Meine Bilder mache ich nur für mich, und ansonsten muss ich hoffen, dass es eines schönen Tages klappt. Und wie ist das mit euch beiden?«
    »Ach, weißt du, das ist eigentlich eine Kameradschaftsehe. Ich kümmere mich ein wenig um seine Sachen und um den Haushalt. Wir essen zusammen, und wir sitzen zusammen vor dem Fernsehapparat. Und wenn er eine Ausstellung hat, dann präsentiert er mich wie eins seiner Bilder. Ich bin Teil seines Œuvres. Und ansonsten lebt er sein Leben, und ich leb meins. Im Bett ist nicht mehrviel los. Ab und zu hat er ein Verhältnis, findet ein junges dummes Ding. Meistens ist das eins seiner Modelle, weil er sich bei denen nicht anstrengen muss. Aber das ist bei ihm nie etwas Ernsthaftes. Unzufrieden bin ich jedenfalls nicht. Und wenn es erst März wird und ich in den Garten kann, dann bin ich glücklich.«
    »Pflanzen sagen dir eher zu?«
    »Lach nicht, aber so ist es. In meine Kräuter bin ich vernarrt. Dabei habe ich das alles erst durch Kronauer kennengelernt. Ich bin nämlich ein Stadtkind, habe nie auf dem Lande gelebt, habe mit zwanzig Jahren zum ersten Mal gesehen, wie etwas wächst. Dieses Gedeihen und Reifen, ich hatte es früher nie wahrgenommen, ich kannte das alles nur aus den Schulbüchern. Und jetzt rede ich sogar mit meinen Pflanzen. Dann kauere ich vor einer Lauchstange und rede mit ihr. Ganz schön verrückt, wie!«
    »Schön. So gut geht es mir nicht. Vielleicht sollte ich mir einen Hund anschaffen. Mit dem kann ich dann auch reden.«
    »Oder doch einen Mann. Denn das gibt es doch auch noch, die Liebe.«
    Wir waren an dem Wäldchen angekommen, einem tatsächlich sehr kleinen Wald, hundert Meter im Geviert. Die Nadel- und Laubbäume standen fast verloren zwischen den riesigen Feldstücken der Genossenschaft. Charlotte sagte, dass sie hier das ganze Jahr über Pilze suchten, auch im Winter würde sie welche

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