Frau Paula Trousseau
druntersetzen.«
Aus der Jackentasche holte er einen Stift und schrieb schwungvoll »für Jan und« darunter, dann setzte er den Stift ab und fragte mich: »Wie heißt du doch gleich?«
»Paula Trousseau«, sagte ich.
»Paula reicht«, unterbrach er mich, setzte meinen Namen dazu und unterschrieb.
»Und für wen von uns beiden ist dein schönes Geschenk?«, fragte Jan. »Wir leben nicht zusammen, so intim sind wir nicht.«
»Ja, dann habt ihr ein Problem«, meinte Kronauer, »noch ein Blatt rücke ich nicht heraus. Wenn ihr meine Kunst mögt, dann müsst ihr halt zusammenziehen.«
»Das wäre eine Möglichkeit«, erwiderte Jan, »und ich glaube, ich hätte nichts dagegen. Aber die Dame ist da leider anderer Ansicht.«
»Streng dich an, Junge. Frauen wollen erobert werden.«
Er zögerte einen Moment, dann reichte er mir das zusammengerollte Blatt.
Charlotte hatte einen Teller mit belegten Broten auf den Tisch gestellt und Kaffee und Tee gemacht. Ich hatte keinen Appetit und aß nur eine halbe Schnitte. Bevor wir losfuhren, gab mir Charlotte noch ein Glas mit Walnüssen, die sie mit Schale selbst eingelegt hatte.
»Kennst du das? Man muss sie sehr früh ernten, wenn die Schale noch weich ist. Dann werden sie mehrmals durchstochen und kommen in eine Tunke mit viel Alkohol. Probier es daheim, vielleicht schmeckt es dir.«
Ich dankte ihr und küsste sie auf beide Wangen.
10.
Eine Woche vor Weihnachten fuhr ich nach Leipzig. Ende des Jahres gab es für mich viel zu tun, neben meinen eigenen Arbeiten und den lästigen Aufgaben für die Gewerkschaftszeitung hatte ich zwei Aufträge bekommen, zwei Porträts in Öl sollte ich malen, von einer jungen Frau und von einem fünfjährigen Kind. Die beiden Auftraggeber hatte mir Jan vermittelt, es waren Freunde und Kollegen von ihm. Sie waren mit Jan zu mir in die Wohnung gekommen, hatten sich ein paar Arbeiten angesehen und mir dann umstandslos die Aufträge ohne Auflagen erteilt. Ich hatte ihnen nur zu versprechen, dass die Porträtierten wiedererkennbar sein müssten. Ein vernünftiges Bild von seinem Jungen wolle er haben, kein abstraktes, sagte einer der beiden Männer, eins, wo die Augen und Nase dort sind, wo sie hingehören, und nicht irgendwo am Hinterkopf. Das Frauenporträt musste am Tag vor Weihnachten übergeben werden, das Kinderbild zum Jahreswechsel. Zweimal war ich bei den Auftraggebern in der Wohnung, um zu skizzieren, doch als ich an der Leinwand arbeitete, bestellte ich die Frau und das Kind zu mir in dieWohnung. Ich war also sehr beschäftigt, fuhr aber dennoch für einen Tag nach Leipzig, ich wollte Cordula sehen.
Sie war jetzt vier Jahre alt, vier Jahre und zehn Monate, und ich hatte sie seit genau einundzwanzig Monaten nicht mehr gesehen. Ich hatte einige Male in Leipzig angerufen, manchmal war Hans am Apparat, manchmal eine Frau, es war immer dieselbe, die wortlos den Hörer beiseitelegte und Hans rief, sobald ich mich meldete und nach Cordula fragte. Die Frau hatte nie mit mir gesprochen, kein Wort. Ich wusste nicht, ob sie seine neue Freundin oder Frau war oder nur eine Haushaltshilfe, vielleicht hatte Hans sie als Kindermädchen eingestellt, wie auch immer, jedenfalls musste er sie angewiesen haben, mir keinerlei Auskünfte über meine Tochter zu geben. Hans war am Telefon stets ironisch und sehr reserviert. Er brachte es sogar fertig, mich stets nach dem Grund meines Anrufs zu fragen, und er war nicht bereit, mir etwas von Cordula zu erzählen. Er sagte jedes Mal, es gehe ihr gut, oder vielmehr, es würde ihnen gut gehen. Ein einziges Mal erkundigte ich mich, ob Cordula nach mir frage, ob sie mich vermisse. Anstatt zu antworten, hatte er nur gelacht, ganz laut und scheinbar herzlich, als hätte ich einen sehr guten Witz gemacht.
Nach jedem dieser wenigen Anrufe war ich völlig erschöpft und schwitzte. Ich saß dann im Sessel und heulte nur noch, ich war unfähig, zu arbeiten, zu lesen, ich konnte nicht einmal die einfachsten Arbeiten in der Küche erledigen, und irgendwann hatte ich es aufgegeben, seine Telefonnummer zu wählen. Am letzten Samstag vor Weihnachten setzte ich mich früh in die Bahn und fuhr nach Leipzig. Ich hatte mich am Vortag dazu entschlossen. Ich hatte Kathi in ihrem Warenhaus besucht, mit ihr in der Kantine etwas gegessen und bummelte anschließend durch die Verkaufsetagen. Ich suchte nichts, ich wollte nichts kaufen, ich sah mir die Leute an. DieKunden, es waren vorwiegend Frauen, wirkten nicht feierlich, sondern
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