Frau Paula Trousseau
finden, dann hole sie sich Baumpilze, die würden immer wachsen. Sie zeigte mir eine Stelle, in der sie im Frühjahr, ohne es zu merken, in ein Frischlingsnest getreten war. Die Frischlinge seien laut quiekend auseinandergestoben, und sie sei atemlos nach Hause gerannt, sie hätte keine Lust auf eine Begegnung mit der erzürnten Wildsau gehabt. Aufdem Heimweg erzählte sie von den Leuten, die sich in den letzten Jahren in der Umgebung angesiedelt hatten, Maler und Grafiker und Töpfer vor allem, Aussteigertypen, die irgendwie alternativ leben wollten und mit denen sie gelegentlich Kontakt habe. Sie habe einigen geholfen, ein leerstehendes Bauernhaus oder ein Gehöft zu finden.
»Wenn du mal etwas suchst, gib Bescheid. Ich finde auch für dich das Richtige. Ich kenne die Gegend, ich komme mit den Bauern zurecht, du musst mir nur sagen, was du dir vorstellst, wie groß es sein soll, im Dorf oder lieber abgelegen, so einen Ausbau, wie wir haben, oder mitten auf dem Dorfplatz. Gelegentlich stehen auch schöne Pfarrhäuser leer.«
»Du musst uns nachher zurückfahren«, begrüßte mich Jan, als wir ins Haus zurückkamen. Es war überflüssig zu fragen, wieso. Ich sah die Flaschen auf dem Tisch und merkte daran, wie er sprach, dass er nicht mehr nüchtern war. Die Fahrt mit ihm war nun wirklich zu einer Überraschung geworden, freilich zu keiner ungewöhnlichen, denn dass ich einen angetrunkenen Herrn nach dem Besuch bei Freunden zurückzufahren hatte, das kannte ich von Hans wie von Waldschmidt.
»Dann sollten wir uns bald auf den Weg machen«, sagte ich, »ich fahre nicht gern nachts, und außerdem bin ich noch nie mit deinem Auto gefahren.«
»Nur nichts überstürzen«, meinte Kronauer. »Bevor ich euch gehen lasse, will ich Jan und dir meine Arbeiten zeigen. Das wird dich interessieren, das vermute ich doch. Als Kollegin.«
Er stand schwerfällig auf und musste sich für Sekunden an der Tischkante festhalten, um sein Gleichgewicht wiederzugewinnen.
»Aber allzu viel ist gar nicht im Haus«, fuhr er fort,»ich habe zur Zeit drei Ausstellungen gleichzeitig, da habe ich alles zusammenkratzen müssen, was ich noch nicht verkauft hatte. Gehen wir ins Atelier.«
»Wollt ihr noch etwas essen, bevor ihr losfahrt?«, fragte Charlotte, »ach, was frage ich. Ich mach uns etwas, während euch Frieder seine Gemälde vorführt.«
Kronauer holte ein paar gerahmte Leinwände aus dem Gestell an der schmalen Wand des Ateliers und lehnte sie gegen die Wand. Dann zog er zwei große Mappen aus einer Schublade, legte sie auf den Tisch, löste die Verschnürung und forderte uns auf, uns alles anzusehen. Er schien mit sich und seinen Arbeiten sehr zufrieden zu sein. Jan redete fortwährend. Bei jedem Ölbild und zu jeder der Bleistift- und Kohlezeichnungen gab er etwas Lobendes von sich, alle Arbeiten gefielen ihm unterschiedslos, es gab kein einziges Bild, das ihm die Sprache verschlagen hätte. Ich versuchte, nicht darauf zu hören, was er sagte, stellte mich vielmehr schweigend vor die gerahmten Arbeiten und blätterte langsam und ohne etwas zu sagen, die Blätter um. Ich hasste Kronauer, aber ich musste eingestehen, dass er wirklich ein guter Maler war, besser als Waldschmidt und all die anderen, die wir an der Schule hatten.
»Na?«, fragte Kronauer mich schließlich. Er war sich sicher, dass ich von seinen Arbeiten tief beeindruckt war. Deshalb fiel es mir schwer, ihm das zu sagen, doch ich nahm mich zusammen und teilte ihm meine Meinung mit, und bei ein paar Arbeiten ging ich auf Details ein, was ihm besonders gefiel.
»Von Kunst verstehst du etwas, Mädchen«, sagte er zufrieden, »wenn du auch so gut malen kannst, dann bist du vielleicht doch die große Ausnahme. Bring beim nächsten Mal ein paar Blätter mit. Hab keine Angst, es ist doch gar nicht sicher, dass sie mir nicht gefallen. Kunst mussman vorzeigen, Kunst braucht Publikum, sonst wird sie stockig.«
»Ich habe keine Angst.«
»Wunderbar. Also, beim nächsten Mal sehe ich etwas von dir.«
Jan wollte etwas kaufen, er fragte bei zwei Arbeiten nach den Preisen.
Kronauer sagte lachend: »Das will ich dir nicht antun, mein Lieber. Meine Freunde will ich nicht ausplündern, nein, nein, nein, kommt überhaupt nicht in Frage.«
Er nahm eine Kohlezeichnung aus einer Mappe, es war ein Blatt, das ich besonders gelobt hatte, rollte es zusammen und gab es Jan.
»Das Blatt schenke ich euch beiden. Oder gib es noch mal her, ich will noch meinen Wilhelm
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