Frau Paula Trousseau
nur selten. Er beklagte sich, doch ich sagte ihm, ich hätte wenig Zeit, ich müsste für die Ausstellung arbeiten, sie sei für mich wichtig, auch wenn er sie als Provinz abtue. Wenn wir uns sahen, trafen wir uns zumeist in meiner Wohnung, es war mir lieber, ich fühlte mich in ihr vertrauter als in seiner riesigen Wohnung mit Sauna, Terrasse und einem Fitnessraum. Er brachte stets eine Flasche Wein mit und etwas zu essen, er wollte nicht mehr mit mir ausgehen, sondern immer ins Bett, was mir gefiel. Ich war gern mit ihm im Bett, er bemühte sich auch dort, immerzu zu spielen und zu überraschen. Ich habe nie einen Mann kennengelernt, mit dem es im Bett so viel zu lachen gab.
Die Filmrolle bekam er von jenem Stefan tatsächlich, und er freute sich wie ein Kind darüber. Ihn reizte die Rolle, zumal es für ihn viele Drehtage in Italien undSchweden bedeutete. Als ich ihn fragte, ob er denn einen Reisepass bekommen werde, sagte er nur: »Sie werden es nicht wagen, Nein zu sagen.«
Einen Monat später fuhr er mit einem neuen Volvo vor. Das Auto sei gewissermaßen die erste Rate der Filmfirma, sagte er vieldeutig und grinste. Seinen alten Wagen, einen Lada, wollte er mir schenken, was ich ablehnte. Ich sagte, ich würde mir ein Auto zulegen, aber von meinem eigenen Geld.
»Auch gut«, sagte er, »dann verkaufe ich dir den alten Wagen. Er ist in gutem Zustand, und ich würde ihn lieber dir überlassen als irgendwelchen Leuten.«
Als ich ihn fragte, wie teuer er sei, erkundigte er sich, wie viel Geld ich hätte. Er versprach, den Wagen schätzen zu lassen, und drei Tage später legte er mir den Brief einer Autowerkstatt vor, wonach das alte Auto nur noch eintausendfünfhundert Mark wert sein sollte. Ich glaubte ihm nicht, ich sagte, der Wagen sei gewiss viel mehr wert, und ich wolle mir von ihm nichts schenken lassen, doch er blieb dabei, dass er ihn für diese Summe verkaufen werde.
»Und zwar an dich oder an einen anderen. Überlege es dir, Paula.«
Ich wusste, dass er sein Auto teurer verkaufen konnte, sehr viel teurer, aber nachdem ich drei Tage lang gezögert hatte, gab ich ihm schließlich die verlangte Geldsumme. Ich brauchte ein Auto.
Einen Monat später sprach er davon, dass wir zusammenziehen sollten. Er redete sogar von Heirat, was mir Angst machte. Für mich hatte sich nichts zwischen uns geändert, wir lebten in verschiedenen Welten, seine Aufmerksamkeit für meine Arbeit rührte und belustigte mich, denn ich spürte, dass er wenig damit anfangen konnte. Es störte mich nicht, dass meine Malerei ihm wenigbedeutete, meine Bilder so wenig wie die anderer Maler, es störte mich überhaupt nicht. Aber seitdem er von Heiraten gesprochen hatte, war ich entschlossen, die Geschichte mit ihm so rasch wie möglich zu beenden.
17.
Es waren die ersten Sommerferien, in denen Paula allein zu den Großeltern fuhr. Cornelia hatte sich geweigert, sie wolle die Ferien mit ihren Freundinnen verbringen, hatte sie den Eltern erklärt, und eine Radwanderung mit der Schulklasse machen. Ihre Mutter war damit nicht einverstanden, die beiden Töchter sollten den Sommer über dem Großvater helfen, der seit dem Schlaganfall seiner Frau allein die Wirtschaft führen musste, und erst als Paula sich bereit erklärte, auch ohne ihre Schwester hinzufahren, um dem alten Mann beizustehen, gab sie schließlich dem Wunsch der älteren Tochter nach.
»Ich ekle mich dort«, sagte Cornelia, als sie mit der Schwester allein im Zimmer war und sich bei ihr bedankt hatte, »alles stinkt bei denen.«
»Meinst du die Kaninchen?«, fragte Paula verwundert.
»Ich meine nicht die Kaninchen und auch nicht das Schwein. Es stinkt im Haus nach Pisse. Ich will da nicht mehr hinfahren. Ich bekomme da Pickel.«
Paula sah ihre Schwester mit großen Augen an, sie verstand sie nicht, denn sie war gern bei den Großeltern.
Am zehnten Juli fuhr sie mit der Bahn nach Mühlhausen. Ihre Mutter brachte sie bis zum Bahnhof, reichte ihr den Rucksack und den kleinen Koffer in den Zug und ermahnte sie mehrmals, während der Reise gut auf ihre Sachen aufzupassen. Zum ersten Mal in ihrem Lebenreiste Paula ganz allein. Sie war noch keine Stunde unterwegs, als sie bereits den gesamten Proviant aufgegessen hatte. Dann holte sie ein Buch aus dem Rucksack, aber es lag die ganze Reise über lediglich aufgeschlagen auf ihren Knien, sie war zu aufgeregt, um auch nur eine Zeile lesen zu können. Das Mädchen beobachtete die Mitreisenden, hörte ihren Gesprächen zu, schaute
Weitere Kostenlose Bücher