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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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bedürfnisloser Begleiter zu sein. In Gesellschaft war er stets aufmerksam und unterhaltend, und die Anspielungen seiner Freunde auf unser Verhältnis quittierte er mit einem vieldeutigen Lächeln. Wurden die Scherzegröber, griff er nach meiner Hand, gab mir einen Handkuss oder streichelte beruhigend über meine Schulter.
    Seine Anhänglichkeit überraschte mich. Gewiss gefiel es ihm, sich mit mir in der Öffentlichkeit zu zeigen, mich stolz seinen Bekannten zu präsentieren, denn in Beziehung zu ihm war ich eine junge Frau, er war zwölf Jahre älter als ich. Zudem hatte ich einen Beruf, mit dem er offenbar in seinen Kreisen Eindruck machen konnte, er liebte es jedenfalls, von meinen Bildern zu erzählen, und versuchte mehrmals, mich dazu zu bringen, über meine Arbeit zu sprechen. Ich glaube, für ihn war es ungemein wichtig, dass seine Freundin oder die Frau, die als seine Lebensgefährtin galt, einen Beruf hatte, den andere für bedeutungsvoll hielten. Mit einer Verkäuferin oder einer Krankenschwester würde er sich nicht einlassen, meine Freundin Kathi kam für ihn ebenso wenig in Betracht wie Mona, die junge Frau, die unter mir wohnte und ihn heiß verehrte. Jan brauchte bedeutende Personen um sich oder Personen mit anerkannten Berufen, er benötigte sie, weil er sich selbst für bedeutend hielt und gleichzeitig unsicher war. Er wollte, dass ich mich um Ausstellungen bemühe, dass ich bei wichtigen Ausstellungen dabei sei. Er bot mir an, seine Verbindungen zu nutzen, wollte mich mit wichtigen Leuten bekannt machen. Als ich von Altenburg erzählte, sagte er, das sei Provinz und würde mir wenig nützen. Ich lachte ihn aus, bat ihn, sich nicht für mich einzusetzen, bei niemandem und nirgends, und sagte, dass ich anders als er arbeiten würde, dass ich nur für mich arbeite, nicht für andere, dass die Erfolge, die ich anstrebe, von denen ich träume, nichts mit Glanz und Glamour zu tun hätten.
    »Maler erkennt man nicht auf der Straße, wir sind keine Schauspieler, gottlob«, sagte ich zu ihm, »für die Öffentlichkeit bleiben wir anonym, und das ist für michwichtig. Mich stört es, angestarrt zu werden, und genau das geschieht, wann immer ich mit dir zusammen bin. Ich will sehen und nicht gesehen werden. Ich brauche diese Art Anerkennung nicht.«
    Er nickte, aber ich sah, dass er mich nicht verstand. Ich lachte und küsste ihn.
    Unser freundschaftliches Verhältnis hätte ich gern unverändert beibehalten, gegenseitige Achtung, eine Freundschaft, die verlässlich war. Ich ahnte, dass dies kaum möglich sei, jedenfalls hatte ich einen solchen Fall noch nie erlebt. Die Natur erlaubt wohl ein solches Verhalten nicht, jedenfalls nicht den Männern. Meine Hoffnung, dass Jan und ich auf diese Weise eine Beziehung unterhielten, war gering, und ich war es, die diese Möglichkeit endgültig zerstörte. Am ersten Juniwochenende schlief ich mit ihm.
    Am Samstag waren wir zusammen essen gewesen. Stefan, ein Regisseur, und Rebecca, eine Schauspielerin, waren aus Hamburg gekommen, Jan sollte in einem westdeutschen Film eine Rolle übernehmen, und diese Schauspielerin sollte seine Partnerin spielen und wollte ihn kennenlernen. Jan und die Schauspielerin hatten voneinander gehört, kannten sich aber nicht, Rebecca hatte verlangt, jenen Mann, mit dem sie eine der Hauptrollen zu spielen hatte, zumindest vorher einmal zu sehen und mit ihm zu sprechen, bevor sie einwillige. Jan und Stefan kannten sich schon länger, sie betonten an jenem Abend mehrmals, wie sehr sie sich gegenseitig schätzten. Rebecca blieb reserviert, sie war freundlich und schien sehr genau Jan und mich zu beobachten. Jan, dem viel an der Rolle lag und der sofort zugestimmt hatte, lief zu großer Form auf. Er brillierte am Tisch und brachte uns unentwegt zum Lachen, zumindest Stefan und mich. Rebecca blieb den ganzen Abend über die freundliche, aberzurückhaltende Beobachterin. Ihre Haltung gefiel mir, das, was sie machte, war für mich professionell. Und Jan tat mir leid, er war auf dem Prüfstand, er musste sich wie ein Schüler fühlen. Er wollte gewinnen, er hatte Angst zu versagen, er befürchtete, dass Stefan ihn leichter ersetzen könne als die Schauspielerin, zumal sein Engagement für diesen Film von einer staatlichen Zustimmung abhing, die von der Produktionsfirma noch nicht einmal beantragt worden war. An diesem Abend kämpfte er um die Zuneigung der Schauspielerin, um die Rolle. Mir fiel auf, dass er zwei Liter Wasser trank und nur ein

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