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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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nicht gestört zu werden wünsche. Ich ging in die Küche, schaltete den Herd aus und machte mir eine Schnitte. Nur nicht weinen, sagte ich mir, du wirst es ihm zeigen, du wirst nicht nachgeben, ihn nicht bitten, und schon gar nicht um Entschuldigung, denn du musst dich nicht entschuldigen, für nichts. Man kann sich auch anschweigen. Und wenn dir das nicht gefällt, so ist das kein Grund, zu betteln und zu bitten. Du hast die Prüfung bestanden, und keiner hat dir das zugetraut. Und du läufst jetzt nicht in das Zimmer, um es ihm zu erzählen. Er weiß, dass ich in Berlin war, er weiß, warum, und wenn er dich nicht fragt, wenn es ihn überhaupt nicht interessiert, so musst du es ihm nicht auf die Nase binden.
    Ich holte Bettzeug und Nachthemd aus dem Schlafzimmer und machte mir in meinem Arbeitsraum die Klappcouch zurecht. Ich zog mich aus und ging ins Bad, dann legte ich mich hin und las in einem Roman. Doch ich war unkonzentriert und musste ein paar Seiten zweimal lesen. Aus dem Wohnzimmer hörte ich den Fernseher, Hans sah wohl einen Krimi oder einen Film mit Schlachten und Kämpfen. Heute hatte ich die wichtigste Prüfung meines Lebens bestanden und lag schon um neun Uhr im Bett.Einen solchen Tag hatte ich mir anders vorgestellt, ganz anders, aber so ist das Leben.
    Ein paar Minuten nachdem ich das Licht ausgemacht hatte, erschien Hans im Zimmer. Er schaltete das Deckenlicht an und fragte, was das bedeuten solle, ob wir nun getrennte Schlafzimmer hätten und ob ich ausziehen wolle. Ich heulte sofort los, ich flennte wie früher. Er blieb in der Tür stehen und schaute mich angewidert an. Ich drehte den Kopf ins Kissen und heulte. Irgendwann setzte er sich an mein Bett und fragte nach der Prüfung. Er nahm an, ich sei durchgefallen und würde deswegen heulen. Ich wickelte mich fest in die Bettdecke. Nachdem ich mich beruhigt hatte, sagte ich ihm, dass ich die Prüfung bestanden hätte und ab September in Berlin studieren würde. Er war fassungslos, er war regelrecht schockiert und brauchte einige Zeit, ehe er antwortete.
    »Und die Heirat? Soll ich eine Frau heiraten, die sich irgendwo in der Weltgeschichte herumtreibt? Ich brauche eine Frau im Haus. Und was ist mit deiner Lehre? Willst du die Krankenschwester aufgeben, die Lehre abbrechen?«
    »Ja. Sobald ich den offiziellen Bescheid habe, werde ich die Lehre abbrechen. Vielleicht kann ich bis September im Krankenhaus als Pflegerin arbeiten.«
    »Ach, so ist das. Die Dame will eine Wochenendehe. Und was mache ich in der Woche? Ich soll eine Frau heiraten, die ich allenfalls am Sonnabend sehe und die auch am Wochenende keine Zeit hat, weil sie studieren muss. Nein, Paula, ich will, dass meine Frau da ist, wenn ich abends nach Hause komme. Ich leite eine Firma, fünfzig, sechzig Stunden die Woche, da brauche ich Rückhalt. Ich habe keine Lust, nach einem Zwölfstundentag in eine leere Bude zu kommen. Ich habe keine Lust, mich dann in die Küche zu stellen, mir Abendbrot zu machen und vordem Fernseher die Brote zu essen. Ich habe auch keine Lust, allein ins Bett zu gehen. Ich glaube, du musst dich entscheiden, ich oder diese blöde Schule. Beides zusammen, das geht nicht, das ist ausgeschlossen.«
    »Ich habe mich entschieden«, sagte ich. Ich musste nicht überlegen, ich hatte meine Entscheidung längst gefällt, und er wusste das auch. Ich antwortete so rasch und bestimmt, dass er mich verstört ansah und Sekunden brauchte, um zu verstehen, was ich gesagt hatte. Er fasste nach mir, aber ich hatte mich so fest in die Decke gewickelt, dass er nur mein Gesicht und meinen Hals streicheln konnte. Es war Hass, was ich in seinen Augen sah, und ich dachte, er würde mich schlagen.
    »Heißt das, wir heiraten nicht?«, fragte er.
    »Das liegt bei dir. Ich habe Ja gesagt. Ich hatte gesagt, dass ich dich will. Aber das Studium will ich auch, unbedingt. Ich will malen. Kannst du das nicht verstehen? Ich bin nur glücklich, wenn ich malen kann.«
    »Du bist ein verdammter Dickkopf, Paula. Das wird dich noch einmal unglücklich machen.«
    Ich hatte die Decke über Mund und Nase gezogen und sah ihn an. Ich sah sicher verheult und fürchterlich aus, aber ich wusste, dass ich jetzt nicht nachgeben durfte, es war der zweite Teil meiner Prüfung, die Fortsetzung vom Vormittag. Ich musste es allen beweisen, aber vor allem mir selber.
    »Es ist allein deine Entscheidung, Hans«, sagte ich.
    Er strich mir rasch und lieblos über die Stirn und stand auf.
    »Willst du hier liegen

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