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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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Studium war es gerade das Richtige, aber ich hatte keine Wohnung, nicht einmal mehr einen Schlafplatz, ich war mit all meinen Sachen zu Hans gezogen und war ihm ausgeliefert. Aber so war das wohl in einer Ehe, genau das verstanden die meisten Leute darunter.
    Im Juni blieb die Regel bei mir aus, obwohl ich immer die Antibabypillen geschluckt hatte. Nicht ein einziges Mal hatte ich es vergessen, das wusste ich genau, denn mir war klar, dass Hans mich unbedingt schwängern wollte, um mich daheim festzuhalten. Mit einem Baby im Arm hätte ich kaum an der Kunsthochschule erscheinen können, zumal ich von meinem Mann keinerlei Hilfe zu erwarten hatte, im Gegenteil. Die Pille war meine Sicherheit, der andere Teil meiner Immatrikulation. Eine Schwangerschaft war also ausgeschlossen, und ich war anfangs nicht beunruhigt. Ich erzählte Hans nichts davon. Einmal erkundigte er sich nach meinen Tagen, was mich überraschte. Ich wollte ihm nichts von derUnregelmäßigkeit sagen, er sollte sich keine dummen Hoffnungen machen.
    Als ich nach acht Wochen noch keine Blutungen hatte, ging ich zum Arzt. Er machte einen Schwangerschaftstest und sagte, er sei positiv. Dann fragte er, ob ich verheiratet sei, und als ich das bestätigte, gratulierte er mir. Ich sagte zu ihm, es sei ausgeschlossen, dass ich schwanger sei, ich hätte jeden Tag die Pille genommen, sie nicht einen einzigen Tag vergessen. Er erwiderte, dass sein Test absolut sicher sei, ich sei Ende des zweiten Monats und könne Mitte Februar mit der Geburt rechnen. Ich erkundigte mich, ob ihm Fälle bekannt seien, wo es zu einer Schwangerschaft gekommen sei, obwohl die Frau nicht ein einziges Mal die Pille vergessen habe. Er lächelte und erwiderte, dies sei nahezu unmöglich, doch durch die Pille sei eine besonders erhöhte Empfängnisbereitschaft dann gegeben, wenn auch nur für kurze Zeit die Einnahme unterbrochen werde. Es könne dann zur sofortigen Schwangerschaft kommen, wie er in der eigenen Praxis erfahren habe und weshalb er Patientinnen mit Kinderwunsch zu einer vorübergehenden Einnahme der Pille rate. Als ich ging, gratulierte er mir nochmals und gab mir ein paar Papiere mit, die amtlichen Hinweise und Empfehlungen der Schwangerenberatung.
    Am Abend fragte ich Hans, wie er es angestellt habe. Er sah mich überrascht an, wusste aber sofort, was ich meinte, und erkundigte sich, ob ich endlich schwanger sei.
    »Was hast du gemacht? Wie hast du es gemacht?«, fragte ich nochmals.
    »Ich verstehe nicht, was du meinst«, erwiderte er, wurde aber rot dabei.
    Ich wusste, er hatte mich verstanden, ihm war klar, wovon ich redete und was ich von ihm wissen wollte.
    »Ich habe eine Packung deiner verdammten Pillenausgetauscht«, sagte er und grinste mich an, »schließlich sind wir verheiratet, und die Leute heiraten nun einmal, um Kinder in die Welt zu setzen. Und ich will ein Kind, das weißt du. Ich habe einen Tablettenstreifen durch ein Placebo ersetzt, das mir der Freund eines Freundes besorgt hat. Heutzutage kein Problem. Und dann musste ich nur noch abwarten. Bist du schwanger? In welchem Monat? Ich fürchtete schon, es würde gar nicht klappen oder dass einer von uns beiden unfruchtbar ist. Hätte ja sein können, was gibt’s nicht alles auf der Welt.«
    »Du willst mit aller Macht verhindern, dass ich studiere. Du willst gar kein Kind, du willst nur dafür sorgen, dass ich im September nicht in Berlin anfangen kann. Und ein Kind, hast du dir gedacht, wäre dafür genau das Richtige. Aber wir leben nicht mehr im Mittelalter. Wenn man ein Kind nicht will, kann man eine Unterbrechung vornehmen. Und bei Vergewaltigungen machen Abtreibungen überhaupt kein Problem.«
    »Vergewaltigung? Wer hat dich vergewaltigt, Paula?«, sagte er und lachte, »ich jedenfalls hatte nicht den Eindruck, dass ich dich vergewaltige.«
    »Das ist eine Vergewaltigung, was du gemacht hast. Du hast mich gegen meinen Willen geschwängert. Das ist eine Vergewaltigung. Ich könnte kotzen, Hans.«
    »Das ist normal. Schwangeren Frauen ist oft übel. Gerade in den ersten Monaten.«
    »Du bist ein Schwein, Hans.«
    »Nein. Falsch. Ganz falsch. Ich bin kein Schwein, ich bin ein Mann. Komm, setz dich, Liebe. Du darfst dich nicht aufregen. Du musst jetzt auf dich achten. Wir werden wunderbare Eltern, Paula. Ich freue mich riesig. Ich bin ganz stolz. Ich freue mich auf mein Kind, Paula. Ich hoffe, du auch.«
    Er freute sich wirklich. Er strahlte mich an, als hätteer mich mit einem Geschenk überrascht,

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