Frau Paula Trousseau
Vaterglück informiert, du hast es deinen Geschäftsfreunden angedeutet, ihr habt bereits auf deinen Erben angestoßen. Es wird also ein kleiner Schock für dich werden, sobald du es erfahren wirst, und das kann einige Zeit dauern, denn ich habe nicht vor, mit dir darüber zu reden. Du hast über meinen Körper entschieden, aber es ist mein Körper, und das letzte Wort habe ich. Nur ich. Und ich entscheide allein, so wie ich mich für mein Studium entschieden und den Termin der Heirat festgelegt habe, wie ich von nun alles immer allein entscheiden werde, was mich betrifft.
Ich sah Hans an: »Freuen? Worüber soll ich mich freuen? Weil ich endlich Feierabend habe? So schlimm war es heute nicht, nur das Übliche. Und bei dir? Wie war es bei dir?«
Einen Moment war er irritiert, er schaute überrascht zu mir, dann schien er beglückt zu sein. Er hatte nichts verstanden, er glaubte offenbar, ich hätte mich mit seiner Unverschämtheit abgefunden. Das wird ein böses Erwachen für dich geben, mein Freund, und ich werde nichts tun, gar nichts, um diese Entdeckung für dich freundlicher zu gestalten. Diesen Schock will ich dir nicht ersparen, vielleicht hilft er dir, vielleicht kommst du endlich zu Verstand. Ich habe versprochen, mit dir zu leben, aber ich habe nie gesagt, dass ich für dich alles aufgeben werde, dass ich mein Leben für deins opfere. Ich wollte mit dir leben, aber ich bin nicht bereit, für dich zu sterben, so hübsch bist du nicht, mein Junge. Und dein Kind, das kannst du vergessen, das wirst du von mir nicht bekommen, jedenfalls nicht auf diese Art, nicht auf deine Art. Irgendwann will ich ein Kind oder auch zwei oder drei, aber erst dann, wenn es mir passt, und wenn das so weit ist, werde ich es dir sagen. Dir oder dem Typ, mit demich dann zusammen bin, denn das bist du möglicherweise dann nicht mehr, jedenfalls hast du alles getan, damit diese Ehe nicht erst vom Tod geschieden wird, diese Arbeit werde ich dem Tod abnehmen. Noch ein Fehler, Hans, noch eine Dummheit, und ich packe meinen Koffer und verschwinde aus deinem Leben. Mich hält kein Eheversprechen und keine Villa, und mich kann auch dein Geld nicht halten.
Hans wurde zärtlich, er wollte mit mir schlafen, aber ich blieb kühl, und als ich aus dem Bad kam und in mein Zimmer ging, wurde er wütend und schrie mich an. Seine Liebe und seine Zärtlichkeit reichten genau so weit, wie ich seinen Wünschen nachkam. Ich regte mich nicht auf, ich erwiderte nichts und ging an ihm vorbei in mein Zimmer. Eine Stunde später klopfte er an die Tür und kam herein. Ich hatte nicht abgeschlossen, ich hatte mich dazu gezwungen, die Tür nicht zu verschließen, weil mir das feige erschien und ich lernen wollte, unangenehme Begegnungen durchzustehen. Er setzte sich auf den Bettrand und bat mich, mit ihm zu reden, wir müssten uns einmal aussprechen, sagte er, und ich dachte, nein, müssen wir nicht. Du müsstest dich entschuldigen, aber du weißt vermutlich nicht einmal, wofür du dich zu entschuldigen hast.
»Ich bin todmüde«, sagte ich nur und drehte mich um.
Er saß noch ein paar Minuten auf dem Bett und bat und winselte, aber ich reagierte nicht, ich bewegte mich nicht einmal, sondern zwang mich, ganz ruhig und gelassen zu atmen. Irgendwann verschwand er und ich schlief erleichtert ein. Es war schön, allein zu schlafen, sehr schön.
12.
Sie saß auf der Bank am Luisenstein und wartete. Sie hatte die Gehwegplatten gezählt und dann die Kieselsteine, die auf den Platten lagen. Danach nahm sie ein Heft aus der Tasche und versuchte, etwas aufzuschreiben, aber sie fühlte sich von den Fußgängern beobachtet und steckte das Heft in die lederne rote Tasche zurück. Wenn kein Auto vorbeifahren würde und kein Fuhrwerk, könnte sie die Schulklingel hören, aber darauf wollte sie sich nicht verlassen und schaute alle fünf Minuten auf ihre kleine rote Armbanduhr. Mit ihren dreizehn Jahren kam sie sich sehr dünn vor, die Arme und Beine erschienen ihr so mager wie bei einem Kleinkind. Gertenschlank, hatte Onkel Robert zu ihr gesagt, aber wenn sie sich im Spiegel betrachtete, fand sie sich hager und hässlich. Ein Knochengerippe, an dem nichts dran ist, eine Bohnenstange. Dazu ein Vogelgesicht. Der Mund spitz wie ein richtiger Schnabel. Und ihre Hände konnte sie überhaupt nicht ansehen, kurze Finger, gerötet und verfroren, die Nägel abgebissen und rissig.
Nachdem sie fast eine Stunde gewartet hatte, stand sie auf und versteckte sich hinter den bereiften
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