Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
Vom Netzwerk:
man kann durch eine Scheidung irgendetwas verbessern. Auch so eine Illusion unserer Zeit, auf die wir uns etwas einbilden, weil Scheidung etwas Fortschrittliches ist.«
    »Das klingt aber sehr finster, Elke.«
    »Finster? Nein. Ich glaube nur, dass man sich früher, als es so etwas wie Scheidung noch nicht gab, weniger lebensfremd verhalten hat. Und zu der Zeit, als die Eltern die Ehepartner ihrer Kinder aussuchten, war das Ergebnis nicht schlechter als heute. Die Eltern kennen und lieben ihre Kinder, sie werden also alles berücksichtigt haben, was für ihre Kinder gut und richtig ist. Und das bisschen Liebe, das ergab sich in der Ehe oder nebenbei, und für ein ganzes Leben reicht es ohnehin nie. Die Eltern entschieden vernünftig, die Liebenden entscheiden sich rücksichtslos, weil sie felsenfest davon überzeugt sind, weil sie diesen kleinen Schmetterling, der da durch ihr Leben huscht, mit einem Felsen verwechseln, auf dem sich ein Lebensglück gründen lässt. Mein Vater jedenfalls hätte mir gewiss keinen schlechteren Mann ausgewählt, nur dass ich nicht auf ihn hörte. Nicht auf ihn hören musste, weil wir ja unabhängig und selbständig geworden sind.«
    Sie wirkte überhaupt nicht verbittert, während sie mir das sagte. Als sie meine Verwirrung bemerkte, nahm sie mich in den Arm und sagte: »Vielleicht ist bei euch alles besser. Du wirst das schon richtig machen. Und dann gibt es dein Kind, das ist wirklich schön, Paula. Das entschädigt für vieles. Nein, für alles.«
    Elke sah mich gedankenverloren an, mit dem rechten Zeigefinger streichelte sie über meinen Arm. Ich dachte an ihre Tochter, die kleine Friederike. Wenn ich auch so ein kleines, weltkluges Menschlein bekäme, dann hätte ich jemanden auf der Welt, den ich bedingungslos lieben und dem ich restlos vertrauen könnte, einen Menschen, nachdem ich ein Leben lang gesucht hatte, für den ich nur da sein musste und der von mir nichts verlangt, außer dass ich ihn liebe. Jedenfalls hoffte ich, dass mein Kind dieser Mensch für mich werden würde. Es sollte mein Mensch fürs Leben werden, so wie ich es für mein Kind sein wollte.
    Als wir uns zu den Männern ins Wohnzimmer setzten, legten sie ihre Papiere beiseite, und Frieder öffnete für Elke und mich eine Flasche Wein.
    »Aber nur ein halbes Glas«, sagte Hans mahnend zu mir.
    Er und Frieder sprachen dann über meine Schwangerschaft und über die von Elke, und Elke und ich hörten den Männern zu, lachten über ihre fachmännischen Ansichten und Theorien, widersprachen ihnen selbst dann nicht, als sie den größten Unsinn erzählten, und sahen uns nur an. Als Hans ausführte, wie er sich das Leben nach der Geburt seines Kindes vorstellte, er sprach immer von einem Jungen, offenbar ging er davon aus, dass er nichts anderes als einen Sohn gezeugt haben konnte, und zu Frieder sagte, er habe sich vorgenommen, dann früher als bisher nach Hause zu kommen, denn er wolle schließlich von seinem Kleinen etwas haben und er werde in der Firma ein paar Aufgaben abgeben oder umverteilen, sagte ich: »Von Montag bis Freitag kannst du in deiner Firma so lange arbeiten, wie du willst. Hauptsache, du nimmst dir am Wochenende Zeit für mich und das Kind.«
    Er verstand mich nicht: »Nein, ich will ihn jeden Tag sehen und nicht nur am Wochenende. So wichtig ist mir die Arbeit auch nicht.«
    »Jeden Tag? Das wird aber schwierig sein«, sagte ich locker, »du bist in der Woche in Leipzig, ich in Berlin. Willst du jeden Tag hin- und herfahren?«
    Er sah mich mit offenem Mund an, und es dauerteSekunden, bevor er begriff, was ich gesagt hatte. Mein Studium hatte er offensichtlich schon vor Wochen oder Monaten für beendet erklärt, und so brauchte er einige Zeit, um zu verstehen, dass ich die Kunsthochschule nicht aufgeben werde.
    »Aber«, sagte er und verstummte. Er sah mich fassungslos an, dann schaute er zu seinem Freund Frieder, dann wieder zu mir. Ich lachte laut los. Ich sah, wie es in ihm zuckte, er hatte Mühe, sich zu beherrschen, und wenn wir nicht bei den Kossicks zu Gast gewesen wären, hätte er mich jetzt wohl trotz der Schwangerschaft geohrfeigt.
    »Du hast viel vor, Paula«, unterbrach Elke das Schweigen, »hochschwanger ein Studium anfangen und dann noch in zwei verschiedenen Städten wohnen, da habt ihr euch viel vorgenommen. Ich hoffe, ihr könnt euch aufeinander verlassen.«
    »Ich schaffe es«, erwiderte ich, »weil ich es will. Ich will das Kind und ich will mein Studium, und ich bekomme

Weitere Kostenlose Bücher