Frau Paula Trousseau
sehr stolz zurück, ich war froh, mich für das Baby entschieden zu haben, und wenn es ein Jungewerden sollte, wollte ich ihm den Namen Michael geben, er sollte Tschäkels Vornamen bekommen, denn Tschäkel war sein eigentlicher Geburtshelfer. Wenn er anders reagiert hätte, hätte ich mich möglicherweise gegen das Baby entschieden.
Ich war ruhig, glücklich und stolz, als ich wieder bei Hans erschien. Für die Fahrt nach Berlin hatte ich einen freien Tag genutzt und nichts von meinem Besuch in der Hochschule erzählt, und da ich noch vor Hans zu Hause war, musste ich auch nichts erklären. Und wieder mal verstand er nichts oder vielmehr alles falsch. Er glaubte, meine Ruhe und Gelassenheit rühre von meinem Mutterglück, das er für sein Verdienst hielt. Er ahnte nicht einmal, wie knapp sein Baby einem sehr frühen Kindstod entgangen war, und dass er nie daran gedacht hatte, dass er nie vermutet oder befürchtet hatte, ich würde mir das ungewollte Kind wegmachen lassen, erstaunte mich.
Ich war so heiter und gelöst, dass ich ein paar Tage später wieder ins gemeinsame Schlafzimmer umgezogen war, was er natürlich falsch deutete. Ich erinnere mich an die Nacht, als ich erwachte, auf die Uhr schaute und feststellte, dass ich nur eine Stunde geschlafen hatte, aber völlig ausgeruht war. Ich stand auf, nahm meine Bettdecke und das Kopfkissen und ging in unser Schlafzimmer. Ohne Licht anzuschalten, legte ich mich vorsichtig neben Hans, der fest schlief und leise schnarchte. Nachdem ich eine Zeit neben ihm gelegen hatte, berührte und streichelte ich ihn. Im Halbschlaf legte er einen Arm über mich und murmelte etwas, dann wurde er wach und wollte das Licht anmachen, was ich verhinderte. Und dann liebten wir uns. Er war unendlich glücklich, er redete von mir und von dem Baby, er legte seinen Kopf auf meinen Bauch, küsste mich vom Kopf bis zu den Fußsohlen und beteuerte seine Liebe. Er fürchtete, mir oder dem Babywehzutun, und war überaus zärtlich, und ich genoss seine Liebkosungen, seine Reden, seine Lippen und Finger auf meiner Haut und fühlte mich wie eine Königin.
Schwangere Frauen seien erotisch, hatte Tschäkel gesagt, würden anziehend auf ihn wirken. Ich weiß es nicht, Sex und Erotik hatten mich in den letzten Monaten der Schwangerschaft nicht interessiert, bei keiner Schwangerschaft. Ich habe auch dann mit Männern geschlafen, aber die eigene Erotik war dabei in den Hintergrund getreten. Mein Bauch, das kleine Etwas, was da in mir heranwuchs, war alles, um was ich mich kümmerte. Ich ging sorgsam mit mir um, ich wollte das Kleine nicht schädigen oder erschrecken. Ich bewegte mich behutsam, ich rannte nicht, ging vorsichtig und achtete auf jede meiner Bewegungen. Ich würde mich wie eine Königin bewegen, hatte eine Freundin zu mir gesagt, und das war wohl auch so, denn ich kam mir wie eine Königin vor. Wenn ich aufwachte und an mein Baby dachte, war ich mit mir und der Welt zufrieden, und das hielt den ganzen Tag an. Es gab nichts, was mich darüber hinaus interessierte oder berührte. Wenn jemand freundlich zu mir war, nahm ich es zur Kenntnis, und wenn jemand unfreundlich war, mich beleidigen wollte oder mich beschimpfte, so konnte ich mich darüber nicht aufregen. Ich lächelte selbst dann, weil es in meinem Inneren immerzu lächelte. Und die Männer, nicht nur die Väter, behandelten mich während meiner Schwangerschaft wie eine Kostbarkeit. Wildfremde Männer waren urplötzlich rührend besorgt um mich, die größten Stiesel standen in der Straßenbahn auf und boten mir ihren Platz an, und wenn ich irgendwo anstehen musste, so waren es stets die Männer, die auf mich zukamen und geradezu darum baten, dass ich an allen anderen vorbei nach vorn gehe solle.
14.
Über die Kunsthochschule sprach ich mit Hans nicht. So unverrückbar es für mich feststand, mir mein Studium durch niemanden und nichts nehmen zu lassen, so eindeutig stand für ihn fest, dass durch die Schwangerschaft dieser Traum für mich ausgeträumt war.
Mitte August fuhren wir für ein paar Tage an den Tollensesee. Hans hatte mehrere Termine in Schwerin, um mit der örtlichen Kirchenleitung über den Bau eines Altersheims zu reden, und da er keine Lust hatte, vier Tage lang für kurze Besprechungen und Absprachen jeweils mehrere Stunden auf der Autobahn zu verbringen, schlug er vor, eine Woche in der Villa seines früheren Geschäftspartners Frieder Kossick zu verbringen, der vier Jahre zuvor nach Schwerin gezogen war, jetzt
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