Frau Paula Trousseau
ein.
Paula stand unschlüssig im Zimmer. Sie hoffte, Kathi würde sie einladen mitzukommen, aber die Freundinschien sie vergessen zu haben, sie hatte sich auf ihrem Bett aufgestützt und strahlte fortwährend den Jungen an.
»Steh doch nicht so rum«, sagte Willy, »setz dich hin. Oder musst du gleich wieder gehen?«
»Nein, ich habe Zeit.«
»Aber wir nicht, Paula«, sagte Kathi verärgert, »das siehst du doch.«
»Wir wollten doch schreiben, Kathi.«
»Ach, das ist nicht so wichtig. Dieser Kinderkram ist mir sowieso zu albern.«
Paula sah ihre Freundin entsetzt an.
»Willst du mit uns mitkommen?«, fragte Willy.
»Das ist keine so gute Idee«, meinte Kathi, »ich seh dich ein andermal, Paula. Heute will ich mit Willy reden.«
Alle drei verstummten, und für Sekunden war es still im Zimmer. Paula hatte begriffen, dass sie gehen sollte, aber sie hoffte noch immer, ihre Freundin würde den Jungen wegschicken. Willy mischte unaufhörlich die Karten, und Kathi beachtete ihre Freundin nicht.
»Dann werde ich jetzt gehen«, sagte Paula, rührte sich aber nicht von der Stelle.
»Ja, wir sehen uns später«, sagte Kathi, ohne den Blick von dem Jungen zu wenden, »machs gut.«
Plötzlich überkam Paula ein Schluckauf. Sie machte ein Geräusch, es hörte sich an, als ob sie auflachte oder erschreckt worden war. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund und lief aus dem Zimmer.
Kathis Mutter rief sie in die Küche und gab ihr ein Glas Wasser, in das sie etwas Zitronensaft und Zucker hineingerührt hatte.
»Nur ein kleiner Schluckauf«, sagte sie beruhigend zu dem Mädchen, »bis du heiratest, ist alles wieder in Ordnung.«
Auf der Straße blieb Paula vor einem Wäschegeschäftstehen und starrte sekundenlang auf die im Schaufenster ausgebreiteten Servietten und die Stapel mit Handtüchern.
»Dann eben nicht, Kathi«, sagte sie laut vor sich hin, »ich brauche dich nicht. Ich brauche überhaupt keinen Menschen.«
Sie musste nochmals lauthals schlucken, presste rasch eine Hand vor den Mund und lief auf schnellstem Weg nach Hause.
Zweites Buch
1.
In den drei Wochen bis zum Semesteranfang sprach Hans kein Wort über mein Studium. Er blendete es vollkommen aus, als könnte sein Stillschweigen es aus seinem und meinem Leben streichen. Mir war das recht. Was zu sagen war, hatte ich gesagt.
Meine Freundin Katharina hatte mir eine Unterkunft in Berlin besorgt, in Weißensee, nur eine Viertelstunde von der Hochschule entfernt, ein Zimmer in der Dreizimmerwohnung einer alleinstehenden älteren Dame, die das Mietgeld benötige und mir gewiss bei meinem Baby helfen werde.
Eine Woche bevor ich aufbrach, erkundigte sich Hans, wo ich wohnen werde. Als ich es ihm sagte, erklärte er, er habe für mich eine sehr viel bessere Möglichkeit ausfindig gemacht. Ein Studienfreund bewohne mit seiner Familie ein Einfamilienhaus in Wendenschloß, im Süden der Stadt, und sei bereit, die Einliegerwohnung, in der bis zu ihrem Tod die Schwiegermutter gelebt hatte, mir zu überlassen, ich hätte dann zwei Zimmer mit kleiner Küche und einem eigenen Bad, und das würde ich benötigen, wenn das Baby da wäre. Er sagte es sehr stolz, er war wieder mal mit sich mehr als zufrieden und fand sich vermutlich generös. Ich dachte nur, er will mich wieder bevormunden, er will durch seinen Freund die Kontrolle über mich behalten, und vermutlich wird er zweimal in der Woche mit ihm telefonieren, um sich über mich zu erkundigen und herauszubekommen, was ich so treibe, mit wem ich ausgehe, ob ich über Nacht nicht nach Hauskomme. Ich sah Hans an, ohne eine Miene zu verziehen, holte den Stadtplan, suchte die Straße und sagte, dass ich mit einem Baby nicht jeden Tag stundenlang in der Bahn sitzen könnte. Er wurde sofort wütend, sagte, ich sei undankbar, sein Freund werde gekränkt sein, wenn ich das großzügige Angebot ausschlage, ich sollte gefälligst einmal im Leben nicht nur an mich denken.
»Ich denke zum ersten Mal in meinem Leben an mich«, erwiderte ich, »ich fange gerade erst an, endlich auch einmal an mich zu denken.«
Überraschenderweise hielt ich mich in diesem Moment für unglaublich grausam, aber auch das genoss ich. Es ist angenehm, grausam zu sein, wenn man dadurch zu sich kommt. Rücksichtslose Egoisten sind offen, unverstellt, ehrlich, gradlinig. Es gibt keine Wünsche bei ihnen, die sie nicht äußern, das macht den Umgang mit ihnen einfach. Nicht gerade leicht, aber einfach. Ich fasste an meinen Bauch und strich sanft
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