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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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und sie verstand sofort.
    Ich lief langsam am Waldrand entlang. Ich dachte an meine Freundin Kathi, an ihre Reden und Andeutungen, und fragte mich, ob es irgendetwas an mir oder in mir gäbe, was einer anderen Frau signalisierte, ich wäre gegenüber einer Liebhaberin nicht völlig abgeneigt. Etwas musste es geben, sagte ich mir, und vielleicht waren die kleinen dummen Geschichten auf der Oberschule, die ich als pubertäre Mädchenlaunen abgebucht hatte, doch nicht so belanglos gewesen. Vielleicht war da etwas in mir, von dem ich noch nichts wusste, eine Neigung oder ein Wunsch, den ich noch nicht wahrgenommen hatte oder nicht wahrnehmen wollte, eine Sehnsucht, die andere längst gesehen und erkannt hatten. Dann lachte ich mich selber aus.
    Mir gefallen Männer, ihre Rücksichtslosigkeit, ihr unverstellter Egoismus, ihr klares Verlangen. Sie sind wie ein offenes Buch, und es bringt sie zur Weißglut, dass Frauen anders sind, verlogen, wie sie meinen, oder eben zurückhaltend und barmherziger, wie man es auch nennen könnte. Barmherzigkeit ist verlogen, da haben sie Recht. Und ich war gern mit Frauen zusammen, weil sie mit einem einzigen Blick begriffen, wie es um mich stand, und darauf Rücksicht nahmen. Aber obwohl ich gern mit Frauen sprach und mit ihnen viel intimer reden konnte als mit jedem Mann, einen Wunsch nach Berührung, nach einem Zusammensein mit einer Frau gab es bei mir nicht. Ich hatte keine erotischen Fantasien, die mich zu Frauen führten.
    Friederike kam zu mir gelaufen, als sie sah, dass ich allein am Waldrand spazieren ging. Sie fasste meine Handund begann draufloszuschwatzen. Ich ging mit ihr langsam zu unserem Platz zurück, setzte mich an den Rand der Decke, auf der Elke lag, und unterhielt mich weiter mit dem Kind. Elke beobachtete mich, das spürte ich im Rücken. Ich vermied es, zu ihr zu sehen, und beschäftigte mich intensiv mit der Kleinen.
    Am nächsten Nachmittag, als wir abfuhren und ich Elke zum Abschied die Hand gab, versteifte ich mich unwillkürlich, um sie davon abzuhalten, mich zu umarmen. Sie bemerkte es und lächelte. Ich wurde rot und ärgerte mich über mich.
15.
    Ein zehnjähriger Junge, einer der kleinen Brüder von Kathi, öffnete die Wohnungstür. Als er Paula sah, strahlte er sie an und sagte: »Komm rein. Kathi hat schon Besuch.«
    Seine Mutter fragte aus der Küche heraus, wer gekommen sei, dann schaute sie in den Korridor und sagte erfreut: »Paula, du musst mir helfen.«
    Sie streichelte ihr die Wange, reichte ihr zwei Topflappen und bat sie, das heiße Backblech zu halten, damit sie Speckstreifen über den Braten legen könne.
    »Aber pass auf, dass du dich nicht verbrennst.«
    Als der Speck verteilt war, roch sie zufrieden an dem Braten, schob das Blech in den Ofen und schloss die Klappe.
    »Seid ihr verabredet?«, erkundigte sie sich. »Der Willy ist bei Kathi, sie sind in ihrem Zimmer.«
    »Soll ich wieder gehen?«, fragte Paula besorgt.
    »Nein, geh nur zu den beiden. Kathi wird sich freuen. Möchtest du ein Stück Kuchen? Wir haben gerade gevespert.«
    »Nein, danke. Ich wollte mit Kathi an unserem Stück weiterschreiben.«
    »Ach ja, euer Theaterstück. Und wie wäre es mit einem Glas Milch oder Kakao?«
    Paula schüttelte den Kopf.
    »Dann geh in Kathis Zimmer. Und frag die beiden, ob sie etwas brauchen.«
    Paula klopfte befangen an Kathis Zimmertür und öffnete sie zögernd. Kathi saß auf ihrem Bett und schaute verärgert zur Tür. Als sie Paula erblickte, sagte sie erleichtert: »Ach, du bist es. Ich dachte, es ist schon wieder einer von den Kleinen. Die marschieren alle Augenblicke hier rein.«
    Willy saß am Tisch und mischte einen Stapel Skatkarten, den er geschickt aus einer Hand in die andre wandern ließ. Als Paula zu ihm sah, nickte er ihr zu.
    »Und was willst du?«, erkundigte sich Kathi.
    Paula war an der Tür stehen geblieben.
    »Wir wollten doch schreiben«, sagte sie.
    »Aber nicht heute«, sagte die Freundin, »du siehst ja, Willy ist gekommen.«
    »Was schreibt ihr denn?«, fragte der Junge. Er ließ die Karten schwungvoll auf dem Tisch landen, bevor er sie wieder aufnahm, um mit ihnen weiterzuspielen.
    »Das geht dich nichts an«, sagte Kathi, »das ist ein Geheimnis zwischen Paula und mir.«
    »Und später?«, erkundigte sich Paula, »wollen wir uns nachher treffen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte die Freundin, »wir gehen in die Stadt und vielleicht noch in den Park.«
    »Wir könnten auch ins Kino. Geld habe ich mit«, warf der Junge

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