Frau Paula Trousseau
beides.«
Hans sprach an diesem Abend nur noch mit Frieder über das Bauprojekt. Frieder bemerkte die Spannung zwischen uns, konnte sie sich aber nicht erklären und blieb verlegen. Elke lobte mich über den grünen Klee, um mir den Rücken zu stärken und Hans zu beeinflussen, was vergebliche Liebesmühe war. Als wir im Zimmer waren, erkundigte er sich, ob ich tatsächlich vorhabe, mit einem Baby das Studium aufzunehmen, und ich sagte, er könne doch nicht ernsthaft davon überrascht sein, da wir diese Auseinandersetzungen schon vor Monaten geführt hätten und ich, wie er sich erinnern werde, wegen der Hochschule sogar den Hochzeitstermin verschoben hätte.
»Aber damals warst du nicht schwanger«, sagte er und sah mich hilflos und voll Zorn an.
»Das ist richtig«, erwiderte ich, »und vielleicht erinnerst du dich auch noch daran, wie es dazu kam.«
»Du kannst nicht studieren und gleichzeitig ein Baby bekommen. Das ist unmöglich. Wenn du es nicht selber begreifst, wird dich die Schule exmatrikulieren. Weil das einfach nicht zu schaffen ist.«
»Ich schaffe es.«
»Auf Kosten meines Babys.«
»Nein, auf meine Kosten. Und da es dein Baby ist, wie du sagst, und du es gegen meinen Willen gezeugt hast, hoffe ich auf deine Hilfe. Ich werde dich nicht übermäßig beanspruchen, in Berlin brauche ich dich nicht, aber ich will, dass du mir in Leipzig hilfst, damit ich mich am Wochenende etwas ausruhen und vielleicht die Arbeiten erledigen kann, zu denen ich in der Woche wegen des Babys nicht komme. Wir werden uns abwechseln, mal fahre ich zu dir und mal fährst du zu mir. Das geht gar nicht anders, denn mit dem Baby werde ich mich nicht jede Woche in die Bahn setzen können, und dein Auto wirst du mir wohl nicht überlassen.«
Über mein Studium verlor er kein Wort mehr, er hatte sich damit abgefunden. In den verbleibenden wenigen Tagen in der Villa am Tollensesee sprachen wir nicht mehr darüber. Ich spürte, er bebte innerlich vor Zorn, aber seiner Freunde wegen oder weil er nicht wusste, wie er mich von meinem Studium abhalten könnte, gab es keinen seiner großen Auftritte mehr. Vielleicht nahm er auch nur Rücksicht auf das Baby und wollte mich seinetwegen nicht aufregen. Ich war damit zufrieden.
Einen Tag vor unserer Abreise war ich mit Elke und ihrer Tochter an den Strand gegangen. Friederike war gekränkt, weil ihre Mutter mitgekommen war und sie mich nicht allein für sich hatte. Eine Zeit lang lag sieneben uns auf der Decke und hörte uns zu. Dann sagte sie böse, dass wir sie langweilten, und ging an das Wasser, um dort zu spielen, wobei sie uns ab und zu finstere Blicke zuwarf. Elke sprach über die Geburt, erzählte, wie es ihr in der Klinik ergangen war, dass alles sehr leicht und natürlich abgelaufen sei und dass dieser eine Moment, wo man ihr die winzige Friederike auf die Brust gelegt hatte, als sie den kleinen Körper, der monatelang in ihr gewachsen war, auf ihrer Haut spürte, so unendlich schön war, dass sie augenblicklich alle Schmerzen vergessen hatte.
Ich lächelte. Sie wollte mir die Angst nehmen, aber ich hatte keine Angst, jedenfalls nicht vor der Geburt. Ich hatte etwas zu überstehen und mir selbst zu beweisen, und dieser Entschluss war mein Glücksgefühl, was mich über alles hinwegtrug, jeden Schmerz vergessen ließ und mich stark machte und kräftigte. Ich sagte ihr, dass ich mich nicht vor der Geburt fürchte und auf den kleinen Menschen freue, der in mir heranwachse. Elke betrachtete mich lange und schweigend, sah kurz nach ihrer Tochter und dann küsste sie mich. Es kam für mich völlig überraschend. Sie beugte sich zu mir und küsste mich auf den Mund. Ich fuhr erschrocken zurück, doch sie strahlte mich nur an und sagte: »Ich beneide dich, Paula. Ich glaube, du machst alles viel besser als ich. Ich beneide dich um deine Kraft. Ich wäre gern so wie du.«
Ich war von ihrem Kuss völlig verwirrt, aber Elke redete einfach weiter. Doch ich hatte gesehen, wie sie zuvor nach ihrer Tochter geschaut hatte, um sich zu vergewissern, dass die Kleine uns nicht beobachtete, auch für sie war der Kuss also keinesfalls so nebensächlich gewesen, wie ihr unbekümmertes Geplauder mir weismachen wollte. Elke redete und redete, und ich konnte ihr überhaupt nicht zuhören. Schließlich stand ich auf, sagte, dass ichunbequem gesessen hätte und ein paar Schritte gehen müsse, um dem Baby etwas Platz zu schaffen. Elke wollte mich begleiten, aber ich schüttelte nur abwehrend den Kopf,
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