Frau Paula Trousseau
hatte als alle anderen Studenten. Meine Leistungen waren gut, und Cordula kam, solange sie bei mir war, gewiss nicht zu kurz, obwohl Hans es immer wieder behauptete.
Die Ehe überstand ich weniger gut. Nach vier Jahren wurden wir geschieden. Die Scheidung hatte ich beantragt.
Als ich nach den Sommerferien mit Cordula nach Berlin fuhr, um das vierte Studienjahr zu beginnen, ging ich in der allerersten Studienwoche auf das Standesamt des Stadtbezirks und ließ mir erklären, was ich tun musste, um eine Scheidung einzureichen. Die Semesterferien hatte ich mit der Kleinen im Haus von Hans verbracht, und vierzehn Tage waren wir zu dritt im Seebad Bansin auf Usedom gewesen, wo Hans durch Vermittlung eines seiner Kunden ein Ferienhaus gemietet hatte. In den acht Wochen, die wir im Sommer zusammen gewesen waren, war kein Tag vergangen, an dem wir uns nicht gestritten hätten. Er beschuldigte mich, mich nicht ausreichend um Cordula zu kümmern, und ständig fragte er nach meinen Dozenten und Kommilitonen. Wenn ich ihm etwas vonChristine oder Katrin erzählte, winkte er ab, er glaubte, ich würde ihn betrügen. Über seinen Verdacht lachte ich, aber er führte mir damit klar vor Augen, was er von mir, meiner Malerei und meinem Studium hielt.
Wenn ich müde und verzweifelt in Cordulas Zimmer gegangen war und mich neben ihrem Bett auf das Sofa gelegt hatte, um dort zu heulen und zu schlafen, hatte er es fertiggebracht, mich aufzufordern, ins Schlafzimmer zu kommen, weil er mit mir schlafen wolle. Als ich mich weigerte, hatte ich seinen Augen den heftigen und kaum zu bändigenden Wunsch ablesen können, mich zu schlagen.
Ich hatte in diesem Sommer nicht ein einziges Mal mit ihm geschlafen, und als ich wieder in Berlin war, suchte ich eine Anwältin auf, um mich von ihm scheiden zu lassen. Das Schreiben von Frau Heidinger, meiner Anwältin, musste er bereits Mitte September erhalten haben, er reagierte nicht darauf. Er antwortete weder der Anwältin, noch schrieb er mir, er versuchte auch nicht, mich in der Hochschule telefonisch zu erreichen. Er kam nicht mehr nach Berlin, um Cordula und mich zu besuchen. Mit seinem Schweigen wollte er mich wohl verunsichern, was ihm auch gelang, denn ich wusste, er würde meine Entscheidung nicht einfach hinnehmen. Auf ein Gesprächsangebot, das ihm Frau Heidinger übermittelte, reagierte er nicht.
Für den ersten Dienstag im Dezember war die Verhandlung angesetzt. Ich hatte Cordula wie immer gegen acht Uhr früh in den Kindergarten gebracht, war dann zu der Anwältin gegangen und mit ihr zum Gericht gefahren. Von Hans war auf den Fluren im Gerichtsgebäude nichts zu sehen. Wir betraten zwei Minuten vor zehn das Verhandlungszimmer, die Richterin kam uns entgegen und fragte nach meinem Mann. Fünf Minuten nach zehn öffnete sich die Tür einen Spalt und Wilhelm erschien, einFreund von Hans, ein Anwalt aus Leipzig. Als er mich sah, nickte er erfreut, öffnete dann weit die Tür, um Hans eintreten zu lassen. Mein Mann erschien mit Cordula auf dem Arm. Er lächelte mich triumphierend an, als er mein entgeistertes Gesicht sah. Cordula streckte die Arme nach mir aus und wollte zu mir, aber Hans hielt sie fest und redete auf sie ein, während er mich schadenfroh anstrahlte. Er musste in der Nähe des Kindergartens gewartet haben, bis ich die Kleine abgegeben hatte, um sie Minuten später dort mit irgendeiner Begründung herauszuholen. Was er mit diesem Manöver bezweckte, war mir unklar. Die Richterin missbilligte die Anwesenheit meines Kindes im Verhandlungszimmer und drohte, das Gespräch abzubrechen, falls Cordula stören sollte.
Wie ich es vermutet hatte, wollte Hans meinen Antrag auf Scheidung scheitern lassen. Er log und log und log. Er stellte sich dar als das Muster eines Ehemannes und Vaters, er erzählte, wie er mir den Weg zum Studium geebnet habe, dass er trotz seiner wöchentlich mehr als sechzig Stunden Arbeit beständig nach Berlin fahre, um Frau und Tochter zu sehen. Er versuchte meinen Antrag als Laune einer überarbeiteten Studentin darzustellen, als Marotte eines kapriziösen, verwöhnten Mädchens, das er mit Geld und Geschenken überhäuft habe und das immer unzufrieden sei. Er behauptete, mein Antrag habe ihn völlig überrascht, zumal unser Eheleben nur unter meinem Studium und der räumlichen Entfernung leide, wir ansonsten einen guten und heftigen Sex hätten. Auf Befragen der Richterin erzählte er, wir hätten im Sommer fünfmal in der Woche miteinander geschlafen und
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