Frau Paula Trousseau
sogar noch zweimal nach dem Einreichen meines Scheidungsersuchens.
»Er lügt«, flüsterte ich verzweifelt, »er lügt wie gedruckt.«
Die Anwältin sagte, ich solle mich beruhigen. Sieerkundigte sich bei Hans, wann er zuletzt sexuellen Kontakt mit mir gehabt habe. Hans wich aus. Meine Anwältin nötigte ihn, den genauen Termin zu nennen, schlug ihr dickes Diarium auf und fragte nochmals, wobei sie in ihrem von eingelegten Zetteln aufgeblähten Kalender blätterte und mit dem Zeigefinger die Spalten entlangglitt: »Am neunzehnten September zwischen 21 und 22 Uhr, sind Sie da sicher?«
Hans nickte und grinste mich dabei an.
»Sind Sie sicher?«
Hans sagte unwillig, er könne es beschwören.
Jetzt lächelte meine Anwältin. Sie blickte nochmals in ihr Buch, schaute dann triumphierend zu der Richterin, bevor sie fragte: »Herr Trousseau, wenn Sie am Neunzehnten zwischen 21 und 22 Uhr mit Ihrer Frau in deren Zimmer geschlafen haben, hat Sie denn da meine Anwesenheit nicht gestört?«
Dann warf sie einen kurzen warnenden Blick zu mir und drehte sich zu Hans um. Der sprach aufgeregt mit Wilhelm und erklärte dann, er habe sich wohl im Datum geirrt.
Meine Anwältin schüttelte den Kopf. Sie fasste unter dem Tisch nach meiner Hand und drückte sie, während sie die Richterin anstrahlte. Diese ermahnte Hans eindringlich, bei der Wahrheit zu bleiben. Als er einen neuen Termin nennen wollte, unterbrach sie ihn. Dann wandte sich die Richterin an mich, und ich schilderte ihr unser Eheleben des letzten Jahres. Zweimal fragte sie, ob es während des gemeinsamen Urlaubs denn tatsächlich nie zu einem intimen Beisammensein gekommen sei, und ich verneinte wahrheitsgemäß. Ihre Fragen waren mir unangenehm und ich war wohl hochrot im Gesicht, als ich ihr antwortete. Einmal streichelte mir die Anwältin beruhigend mit den Fingerspitzen über den Handrücken.Am liebsten hätte ich alles zurückgedreht, meine Scheidungsklage zurückgezogen, nur um diesem Saal und den schamlosen Fragen zu entgehen.
Eine halbe Stunde später begriff ich, was Hans und Wilhelm vorhatten. Sie kämpften mit allen Mitteln, mit Unterstellungen und unglaublichen Behauptungen darum, mir das Sorgerecht für Cordula zu entziehen. Sie beschränkten sich nicht darauf, meine finanzielle Abhängigkeit darzustellen, sondern schilderten in einem Gebräu von Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen, dass ich angeblich meine Beziehung zu Hans nur eigener Vorteile willen angestrebt hätte, nie ein Kind haben wollte und das Mädchen des Studiums wegen vernachlässigen würde. Hans und Wilhelm entwarfen vor der Richterin das Bild einer egoistischen, von maßlosem Ehrgeiz getriebenen Person, die alles aus Berechnung tue und ausschließlich ihre Karriere im Blick habe. Hans hatte drei Briefe von mir mitgebracht, aus denen er einige Sätze vorlas, in denen ich mich über die Arbeit beklagte, die mir Cordula machte, und das Baby zum Teufel wünschte, weil es mich vom Studium abhielt. Ich hatte auch geschrieben, dass ich mich überhaupt nicht in der Rolle einer liebevollen Mutter sehen könne, das Kind sei für mich viel zu früh gekommen, es sei kein Wunschkind, wie er wisse, es sei nur seinetwegen auf der Welt. Schließlich untersagte ihm die Richterin, weiter aus den Briefen vorzulesen, sie seien nicht relevant, da sie in einen anderen Zusammenhang gehörten und keinerlei Bedeutung für die Beurteilung einer Ehe und eines Vertrauensverhältnisses hätten.
Ich betrachtete Hans, während er seine Lügen aussprach und meine Worte verdrehte und bösartig interpretierte. Ich fühlte nichts mehr. Ich war nicht wütend oder beschämt, ich erstarrte.
Cordula saß neben ihm auf einem Stuhl und maltePapiere voll. Wenn sie mit einem Blatt fertig war, zeigte sie es Hans, der, ohne einen Blick darauf zu werfen, ihren Kopf streichelte.
»Damit kommt er nicht durch«, flüsterte mir die Anwältin zu, »er hat keine Chance, er bekommt das Kind nicht.«
Cordula rief halblaut nach mir. Hans legte einen Arm um das Kind, aber die Kleine ließ sich jetzt nicht mehr halten. Sie tauchte unter seinem Arm hinweg, rutschte vom Stuhl und lief zu mir. Die Richterin sah lächelnd zu dem Kind, dann klopfte sie mehrmals mit dem Bleistift auf den Tisch und sagte: »Das Mädchen war bisher sehr brav, wir wollen seine Geduld nicht strapazieren. Ich schließe für heute. Vereinbaren Sie einen neuen Termin, und kommen Sie dann bitte ohne ihre kleine Tochter. Sie können gehen. Auf Wiedersehen.«
Wilhelm
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