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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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protestierte gegen die Unterbrechung, sagte, das Kind habe überhaupt nicht gestört und er sehe keinen Grund für eine Vertagung.
    Die Richterin hatte sich über ihre Papiere gebeugt. Für einen Moment sah sie auf, schaute irritiert zu uns und bemerkte: »Die Verhandlung ist geschlossen.«
    Ich nahm Cordula an der Hand und ging neben der Anwältin aus dem Zimmer. Hans rief nach der Kleinen, sie schaute sich nach ihm um, machte aber keinerlei Anstalten, zu ihm zu laufen. Auf dem Weg durch die Gerichtsflure redete die Anwältin auf mich ein, sie erklärte mir ihre Verhandlungstaktik und stellte Vermutungen über die Absichten der Gegenseite an, doch ihre Worte drangen nicht in mein Bewusstsein. Auf der Straße streckte sie mir die Hand entgegen, und es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass sie sich von mir verabschieden wollte. Ich ergriff ihre Hand und dankte ihr, dann lief ich mit Cordula zur Bushaltestelle. Als der Wagen kam und wireingestiegen waren, sah ich Hans und Wilhelm auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die neben der geöffneten Tür eines Autos miteinander sprachen.
    »Fahren wir zu Tante Christine?«, fragte ich Cordula. Ich wollte nicht mit ihr in meine Wohnung, ich fürchtete, Hans würde dort auftauchen.
8.
    Der zweite Verhandlungstermin war Anfang Februar. Hans und Wilhelm blieben bei der Behauptung, unsere Ehe sei keineswegs zerrüttet, Hans erklärte, dass lediglich die doppelte Haushaltsführung eine übergroße Belastung für mich sei und wir, sobald ich das Studium abgeschlossen hätte und wieder bei ihm in Leipzig wohnen werde, eine völlig normale, liebevolle Ehe führen könnten. Er jedenfalls wolle sich nicht von mir trennen, er liebe mich noch immer und trotz allem. Gleichzeitig drängten sie darauf, mir für den Fall einer Scheidung das Sorgerecht für das Kind zu entziehen. Cordula sollte in materiell gesicherten Verhältnissen aufwachsen. Sie legten Briefe von mir und schriftliche Erklärungen von Nachbarn vor, wonach ich weder in der Lage sei, ein Kind aufzuziehen, noch willens, für Cordula Abstriche an meiner Karriere zu machen. Sogar eine meiner Kommilitoninnen hatten sie befragt und zu einer schriftlichen Erklärung bewegen können, nach der ich das Kind ständig in die Hochschule mitnehme und dort bei einer Sekretärin abgebe, um meine Seminare und Vorlesungen zu besuchen.
    Meine Anwältin schüttelte über diese Vorgehensweise der Gegenseite den Kopf und protestierte mehrmals, doch die Richterin hörte sich die Anschuldigungen an, ohne Hans und Wilhelm zu unterbrechen. Als meineAnwältin mir zum wiederholten Male zuflüsterte, dass ich mir keine Sorgen machen müsse, das Erziehungsrecht würde mir nicht entzogen, dafür müssten viel schwerwiegendere Gründe vorliegen, unterbrach ich sie und bat die Richterin, eine Erklärung abgeben zu dürfen. Die Richterin erteilte mir das Wort, meine Anwältin hielt mich am Arm fest, als ich aufstehen wollte, und verlangte, dass ich mich mit ihr absprechen solle, bevor ich mich zu einer unüberlegten und möglicherweise folgenreichen Äußerung hinreißen lasse, doch ich schüttelte sie ab und stand auf.
    Ich sah nur die Richterin an, als ich sprach. Ich sah ihr in die Augen und sagte ihr, dass ich mein Kind über alles liebe, dass ich alles für Cordula tue, sie nichts bei mir vermisse und keineswegs durch mein Studium irgendwie vernachlässigt werde. Ich könne aber nicht vergessen, dass meine Tochter das Ergebnis einer Vergewaltigung sei. Mein Mann habe mich vergewaltigt, um ein Kind zu erzwingen und mich damit von einem Studium abzuhalten, das er mir auf eine andere Art nicht verbieten konnte. Er habe mich gewaltsam geschwängert, damit ich bei ihm in Leipzig bleibe und nicht nach Berlin gehe. Für mich sei die Ehe mit dieser Vergewaltigung beendet worden. Ich hätte sexuelle Kontakte mit ihm seitdem vermieden und im letzten halben Jahr nicht ein einziges Mal mit ihm geschlafen. Ich liebte Cordula, aber wenn das Kind der Preis für die Scheidung sei, so würde ich diesen Preis bezahlen, zumal das Kind von ihm gewünscht und erzwungen worden sei, während es für mich zu früh gekommen sei, viel zu früh.
    Danach setzte ich mich und schaute zur Richterin, die mich lange schweigend betrachtete. Sie schien verwirrt zu sein, irgendwie hatte ich sie beeindruckt. Dann befragte die Richterin Hans, was es mit der von mir behaupteten Vergewaltigung auf sich habe. Hans berichtete von dem Austausch der Antibabypillen, er grinste dabei, wie

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