Frau Paula Trousseau
Vorstellung am Abend wusste und woher sie die Kraft nahm, so ungezwungen am Tag danach aufzutreten, es war genau richtig, was sie tat und wie sie sich benahm.
Liebe ist eben eine dumme Geschichte. Wenn alles gut geht, ist sie angenehm, aber sie geht nie gut, nie. Manchmal funktioniert es eine Zeit lang wunderbar, und man glaubt, das große Glück gefunden zu haben, dochurplötzlich ist es für einen der beiden vorbei, und dann hat der andere das Nachsehen und muss schauen, wie er oder sie damit zurechtkommt.
Wenn mir später jemals ein Mann gefiel und ich mich zu verlieben drohte, so brauchte ich mich nur an das Bild der nackten Rita zu erinnern, wie sie sich fast irrsinnig vor Liebesunglück dem geliebten, unerreichbaren Mann und uns zeigte. Vielleicht mache ich eine Skizze von Ritas Auftritt und nagele sie mir über das Bett. Wie das Bild eines gekreuzigten Jesus, der den Christen Glaubenskraft geben soll, so könnte mir das Bild der nackten Rita Lebenswillen und Stärke vermitteln.
Waldschmidt bat mich am folgenden Morgen, kurz zu bleiben, er müsse mich sprechen. Ich glaubte, es gehe um Rita, und sagte ihm, dass ich mit ihr nicht befreundet sei. Er schüttelte jedoch den Kopf.
»Es dauert nur einen Moment, Paula«, sagte er, wies auf einen leeren Tisch und setzte sich. Er holte ein Zigarrenetui aus seiner Jackentasche, nahm ein Zigarillo und zündete es sorgsam an, wobei er immer wieder zu mir aufschaute.
»Ich möchte Sie bei der Ausstellung im Marstall dabei haben«, sagte er schließlich.
Mir stockte der Atem, ich sah ihn reglos an.
»Im November«, ergänzte er, »Sie wissen doch.«
Ich nickte, brachte aber kein Wort heraus. Im Marstall sollten im Herbst jene Absolventen ausstellen, die inzwischen Meisterschüler waren oder sich nach dem Abschluss der Hochschule einen Namen gemacht hatten. In der Schule gab es das Gerücht, auch zwei Studenten des letzten Studienjahres dürften ein Bild ausstellen, was als Auszeichnung galt und entsprechend beneidet wurde. Und nun bot mir Waldschmidt an, dass auch ich dort ausstellen dürfe!
»Schauen Sie mich nicht so finster an«, sagte er und lachte, »ich hatte gedacht, es freut Sie.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das überrascht mich sehr. Ich freue mich außerordentlich, Herr Professor. Und was soll ich ausstellen, woran dachten Sie?«
»Den großen Akt oder Ihr Waldbild, eins der beiden würde ich gern im Marstall dabeihaben. Oder etwas ganz Neues. Ihre nächsten Bilder werden ja nicht schlechter.«
Seine Ankündigung hatte mich durcheinandergebracht, ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich sah ihn nur an, mir wurde vor Aufregung schlecht. Er legte eine Hand auf meine Schulter und streichelte mich kurz, dann zog er die Hand zurück.
»Das war alles, Paula«, sagte er, »dann an die Arbeit. Ich will von Ihnen etwas sehen. Enttäuschen Sie mich nicht.«
Er stand auf und verließ das Ferienhaus. Ich blieb noch ein paar Minuten am Tisch sitzen, um seine Mitteilung zu verdauen. Eine Kommilitonin kam an den Tisch und fragte, was los sei.
»Du siehst nicht gut aus, Paula. Hast du ein Problem?«, fragte sie.
»Ganz im Gegenteil«, sagte ich und lachte nervös.
»Und was war mit Waldschmidt? Was wollte er von dir?«
»Er hat mit mir über meine Arbeiten gesprochen. Das war alles.«
»Er ist scharf auf dich, wie?«
»Waldschmidt?«, fragte ich irritiert. Nervös und etwas hastig fügte ich hinzu: »Ich weiß nicht. Glaubst du?«
»Ich wette mit dir. Ich glaube, den kannst du um den Finger wickeln. Ein kleiner Wink, und er kommt angerannt.«
Ich lachte und schüttelte den Kopf: »Komm, vertrödeln wir nicht die Zeit. Wir müssen arbeiten.«
Der Gedanke, bei der Marstall-Ausstellung dabei zu sein, beschäftigte mich. Der Gedanke erregte mich. Es war keine Ausstellung der Studenten, sondern von jungen Malern und Bildhauern, die sich bereits einen Namen gemacht hatten. Dass Waldschmidt mich dafür vorgesehen hatte, war sensationell. Ich wusste, dass ich gut war, ich wusste, dass vor einem Jahr bei mir der Knoten geplatzt war und ich leicht wie nie zuvor gearbeitet hatte. Waldschmidt hatte mir eine Chance geboten, an die ich nie gedacht hatte, und nun war ich entschlossen, sie keinesfalls mehr aus der Hand zu geben. Ich wollte mit meinem weißen Bild dort hängen, mit dem Bild, das mich bereits seit Monaten beschäftigte, auch wenn ich ihm wieder ausgewichen war. Nun aber ergab sich für mich eine Möglichkeit, und die wollte ich bis zum Letzten
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