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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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Ihr Kind bei Ihrem geschiedenen Mann lebt?«
    »Ja. Cordula, das ist meine Tochter, wurde ihm zugesprochen. Er kann ihr ein besseres Zuhause bieten, das meinte jedenfalls die Richterin. Und vielleicht hat sie sogar Recht.«
    »Schlimm für Sie, für eine Mutter …«
    Ich unterbrach ihn: »Es tut manchmal weh, aber davon abgesehen, ist es besser so, wie es ist. Ich komme jetzt gut zurecht. Oder haben Sie den Eindruck, dass ich mein Studium vernachlässige?«
    Waldschmidt schüttelte den Kopf: »Ganz im Gegenteil. Sie haben sich erstaunlich gemacht. Sonst hätte ich Sie nicht für die Ausstellung im Marstall vorgeschlagen.«
    »Ich bin Ihnen dankbar.«
    »Das müssen Sie nicht. Das ist ganz allein Ihr Verdienst. Was haben Sie nach dem Studium vor? Bleiben Sie in Berlin? Haben Sie irgendetwas, womit Sie Ihre Brötchen verdienen können?«
    »Ich möchte malen. Ich möchte nur malen.«
    Er lachte. »Jaja«, sagte er, »das wollen immer alle. Aber Sie werden es schaffen, Paula. Es wird eine Zeit brauchen, ehe Sie auf die Beine kommen, doch Sie können das.«
    Ich sah ihn kurz an, schaute dann auf meine Hände und sagte leise: »Ich habe mich Ihretwegen scheiden lassen, Professor Waldschmidt.«
    Er erwiderte nichts. Als ich wieder aufsah, lächelte er verwundert: »Das verstehe ich nicht, Paula. Das sollten Sie mir erklären. Was habe ich mit Ihrer Scheidung zu tun?«
    »Ich habe mich vor drei Jahren in Sie verliebt«, sagte ich und blickte ihm in die Augen, ruhig und reglos.
    »Vor drei Jahren?«, fragte er.
    »Ja. Am Tag der offenen Tür. Sie haben die Eröffnungsrede gehalten und einige Studenten vorgestellt. Damals haben Sie auch meinen Namen genannt, und ich bekam dabei weiche Knie. Das war vor fast vier Jahren, am zehnten März.«
    »So, am zehnten März? Wenn Sie das Datum noch so genau wissen, Paula, dann wird es wohl so gewesen sein. Und meinetwegen haben Sie sich scheiden lassen? Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.«
    »Sie sollen gar nichts sagen. Ich wollte nur, dass Sie es wissen.«
    Ich stand auf, nahm meine Skizzenblöcke und ging zum Fenster zurück. Waldschmidt kam mir hinterher, ich spürte ihn in meinem Rücken und erstarrte. Mit einem Finger strich er mir leicht über den Oberarm, dann verließ er den Speiseraum, ohne etwas zu sagen.
    An die Veranstaltung beim Tag der offenen Tür konnte ich mich durchaus erinnern, aber nicht, weil ich mich damals verliebt hatte. Cordula war damals gerade geboren worden, ich hatte acht Wochen mit ihr bei Hans in Leipzig gelebt und war mit der Kleinen wieder nach Berlin gezogen. Ich war in die Hochschule gegangen, um mich zurückzumelden, hatte aber nicht gewusst, dass sie an dem Tag ihre Pforten für Besucher geöffnet hatte. Ich war mit Cordula auf dem Arm vom Sekretariat in die Eingangshalle gegangen, dort stand Waldschmidt und sprach lautstark und selbstbewusst mit einer Gruppe von Oberschülern und Lehrern. Als er mich erblickte, nannte er meinen Namen und führte mich als Beispiel an für die vielfältigen Möglichkeiten und Hilfen, die unsere Hochschule den Studierenden bot. Ich wusste, dass erdiese Sätze nur so dahinsagte, er hatte meinen Namen nur genannt, weil ich in jenem Augenblick durch die Halle gegangen war, er hätte ebenso gut von irgendeinem anderen Studenten reden können, aber in dem Moment und in meiner Situation war ich gerührt und sehr stolz. Ich hatte Unterricht versäumt und Angst, das Studium mit einem Baby nicht bewältigen zu können. Aber als Waldschmidt meinen Namen nannte und alle zu mir schauten, da wusste ich, dass ich es schaffen würde, und hätte Waldschmidt dafür umarmen und küssen können. Ich schätzte ihn, er gefiel mir, und mir gefiel, dass er, jedenfalls eine Zeit lang, versucht hatte, mit mir anzubandeln. Ich hatte ihm damals unmissverständlich einen Korb gegeben, den er auch akzeptiert hatte, zumindest hatte er mich danach in Ruhe gelassen. Und nun hatte ich ihm eine Liebeserklärung gemacht, die für ihn so überraschend kam wie für mich selbst. Ich weiß nicht, warum, ich weiß nicht, was in diesem Moment in mich gefahren war. Es stimmte überhaupt nicht, aber ich hatte ihn so ernst und eindringlich angesehen, dass er gar keine Chance hatte, mir nicht zu glauben. Ich schüttelte den Kopf und lachte über mich selbst. Kurz darauf sagte ich mir, dass es nur ein kleines Spiel sei, Waldschmidt werde es schon richtig verstehen und es als die übliche Schwärmerei seiner weiblichen Studenten werten. Der Regen hatte am

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