Frau Paula Trousseau
Glasbord, ich verstand überhaupt nicht, weshalb sie das machte, denn mir war es völlig gleichgültig, bei mir lagen alle Tuben und Fläschchen in einem Weidenkorb durcheinander und ich suchte mir jeden Morgen heraus, was ich brauchte. Anfangs war es mir unangenehm, von vorn bis hinten versorgt zu werden, aber nach vierzehn Tagen hatte ich mich daran gewöhnt und räumte nach dem Essen auch nicht mehr das Geschirr in die Küche, sondern ging in mein Zimmer, um weiterzuarbeiten, oder ruhte mich auf der Terrasse aus und las ein Buch, während Frau Mosbach alles Notwendige erledigte.
Nachdem ich mich bei ihm eingerichtet hatte, begann ich mit den Vorarbeiten für mein weißes Bild. Ich erzählte ihm nichts davon, redete auch mit niemandem in der Hochschule ein Wort darüber. Ich wollte versuchen, dieses Bild zu malen, und, wenn ich damit scheiterte, nicht hören müssen, wie unsinnig und unmöglich mein Vorhaben gewesen sei.
Ich hatte das Ölbild deutlich vor mir, ein Bild ganz in Weiß, das war mein Traum. Dieses Bild stand so genau vor meinen Augen, dass ich sofort mit Öl hätte beginnen können, doch diese Unmöglichkeit sollte absolut professionell vollbracht werden, so dass ich mit Bleistiftskizzen begann. Dann folgten Kohle und Aquarell, bevor ich behutsam eine zarte Skizze auf der grundierten Fläche wagte und die allererste Öltube für diese Leinwand öffnete. Waldschmidt fragte nach meiner Arbeit, aber er gab sich mit meinen knappen, abwehrenden Bemerkungen zufrieden, er verstand sehr gut, dass ich über eine entstehende Arbeit nicht reden wollte. Nicht reden konnte. Er machte auch nie den Versuch, in meinem Atelier einen Blick auf meine Blätter zu werfen, und gewiss tat er das auch niein meiner Abwesenheit. Mit einem Kollegen zusammenzuleben war in vieler Hinsicht einfacher und leichter, man musste ihm das Selbstverständliche nicht erklären und es gab weniger Unverständnis und Misstrauen als bei Männern, denen das, was ich tat, ein Buch mit sieben Siegeln war oder eine bedeutungslose Spielerei. Waldschmidt verstand sogar das, was ich selber nicht verstand oder nicht aussprechen konnte. Mein Atelier war groß und hatte Luft, die aufgezogene Leinwand wurde vom Raum nicht zusammengepresst.
Das Schönste in der Zeit mit Waldschmidt waren die abendlichen Empfänge. Ich begegnete tollen Leuten, vielen, die ich vom Namen her kannte und die wichtig und sogar bedeutend waren, Künstler und Wissenschaftler, Kollegen von Waldschmidt und andere, mit denen er irgendwie zu tun hatte als Maler oder als Professor.
Bei den abendlichen Treffen war ich selbstverständlich dabei und wurde akzeptiert und hofiert. Ich glaube, damals hätte ich spielend mit einigen seiner Professorenkollegen ein Verhältnis beginnen können. Und es waren sehr berühmte Künstler darunter, einer von ihnen reiste ununterbrochen in aller Herren Länder, um Ausstellungen zu eröffnen oder über Aufträge zu verhandeln. Es war eine sehr aufregende, eine erregende Zeit für mich. Ich war Studentin, erlebte nun aber diese bedeutenden Künstler sehr häufig in der Waldschmidtschen Villa, empfing sie als Hausherrin, war ihnen gleichgestellt, diskutierte mit ihnen und wurde umschwärmt. Alle seine Freunde waren sehr viel älter als ich, der jüngste war dreißig Jahre älter, und auch das gefiel mir. Sie wurden auch frech, aber nie zudringlich und waren bei ihren Annäherungsversuchen nicht so penetrant einfältig und direkt wie meine Kommilitonen. Sie liebten zweideutige Witze, sie überboten sichin geistreichen Anzüglichkeiten. Waldschmidt gefiel es, wenn ich seinen Kollegen mit gleicher Münze heimzahlte. Als einer von ihnen seine Hände auf meine Brüste legte und dabei etwas von der anbetungswürdigen Schöpferin Natur schwärmte, blieb ich ganz ruhig, lachte ihn an und erklärte, ich schätze seine Plastiken, sei jedoch mit meiner Brust mehr als zufrieden und er müsse keinerlei Korrekturen vornehmen. Ohne ein Wort und fast ein wenig verlegen nahm er seine Hände weg.
Waldschmidt war begeistert, wenn ich mich wehrte, wenn ich selbstsicher auftrat. Er mochte starke Frauen, das gefiel mir, das hatte ich bisher bei einem Mann nicht erlebt. Mein Vater und Hans wollten immer der Herr im Haus sein, und ich hatte mich zu fügen. Waldschmidt war anders, er ertrug nicht nur meinen Widerspruch, er forderte ihn heraus und freute sich, wenn ich mich wehrte und durchsetzte. Manchmal folgte er meinen Wünschen, häufiger entschied er, dass dann eben
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