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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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glaubs nicht, ich habe, seit ich mit ihm verheiratet bin, nie mit einem anderen Mann ein Verhältnis gehabt. Ich weiß, dass mir keiner glaubt, unsere Freundinnen schon gar nicht, denen darf ich damit überhaupt nicht kommen, die halten mich für anormal, für verrückt. Es ist aber die reine Wahrheit. Ich habe allerdings in meinem ganzen Leben nur mit drei Männern geschlafen, außer meinen beiden Ehemännern gab es noch einen Theologiestudenten. Das ist sehr wenig für eine Frau von dreiundvierzig, oder?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich, »ich habe von Frauen gehört, die ihr ganzes Leben lang nur mit einem einzigenMann intim waren. Die ihr ganzes Leben lang nie von einem anderen geträumt haben.«
    »Ja, gelesen habe ich auch davon«, erwiderte sie, und dann lachten wir wieder, laut und wild und einträchtig.
    Ich wurde mit einem Mal verlegen und rührte, ohne aufzusehen, in meiner Kaffeetasse. Von irgendwoher war ein Orgelspiel zu hören, eine Bachkantate. Vielleicht kam die Musik aus einem der oberen Zimmer oder aus einem Nachbarhaus. Auch Sibylle schien der Musik zu lauschen, sie lehnte sich im Sessel zurück und schloss die Augen. Und dann war da plötzlich dieses Licht. Sibylle schien für Momente in ein grünes Licht getaucht, ein Licht, das aus der Höhe zu kommen schien oder aus dem Garten oder ihrem Kristall. Sie öffnete die Augen und sah mich an. Dann stand sie auf, das Licht umgab sie, als sie zu mir kam, sich neben dem Sessel niederkniete, meinen Kopf zu sich drehte und mich küsste. Ich rührte mich nicht. Ich zuckte nicht zurück, ich ließ es geschehen. Wir sahen uns minutenlang schweigend in die Augen, sie streichelte mich, meine Wangen, meine Nase, meine Lippen, mein Haar. Ich bewegte mich nicht. Dann stand sie auf und sah mich an. Meine Hände lagen auf den Sessellehnen, ich konnte mein Herz schlagen hören, ich war wie erstarrt und gleichzeitig war mir ganz leicht. Es war schön, in dem Sessel zu sitzen und von ihr betrachtet zu werden. Bewundert zu werden. Vielleicht ist das nur das grüne Licht, dachte ich, als sie meine Hand nahm und mich hochzog. Wir gingen schweigend nach oben in ihr Schlafzimmer. Sie zog mich aus, sie zog mich so zärtlich aus, wie ich noch nie in meinem Leben entkleidet worden war. Es schien unendlich lange zu dauern, eine rücksichtsvolle, behutsame Umarmung. Sie knöpfte meine Bluse auf, Knopf für Knopf, zog sie langsam über meine Arme, als sei sie aus einem unersetzlichen und hauchzarten Gewebe, und legtesie ebenso sorgfältig auf die alte Bauerntruhe neben dem Bett. Nachdem sie meinen BH aufgeknöpft und mir abgenommen hatte, lächelte sie mich an, ein scheues Lächeln, das über mein Gesicht streifte und gleich darauf wieder verschwand. Sie trat einen Schritt zurück, legte den Kopf ein wenig zur Seite und betrachtete mich. Sie streckte ihre Hand aus und streichelte meinen Arm von der Schulter abwärts zu den Fingerspitzen. Ich spürte, wie ich ruhig wurde. Sibylle öffnete die Schleifen ihres Kleides, streifte es über den Kopf und legte es auf die Truhe, löste ihr Haar und schüttelte einmal den Kopf, so dass es um ihren Hals fiel. Sie zog ihren Slip aus, ließ ihn auf den Teppich fallen und legte sich auf das Bett. Sie war wunderschön. Die Brustwarzen ihrer großen, schweren Brüste, die sich zu den Seiten geneigt hatten, schimmerten purpurn und waren von einem rotbraunen Hof umgeben, der auf der schneeweißen Haut der Brust leuchtend hervorstach. Vom Dekolleté aufwärts war die Haut leicht gebräunt. Der Hals und ihre Schultern bildeten so, wie sie dalag, eine Linie erregender Vollkommenheit. Sie betrachtete mich unbefangen. Sibylles Beine waren kräftig und völlig gerade und lang, am rechten Oberschenkel war eine kleine blasse Narbe. Unterhalb des Bauchnabels war ein Muttermal zu sehen, ein kleiner Fleck, ein winziges Birkenblatt mit der Andeutung eines Stiels, dunkelrot wie ein Brandzeichen.
    »Komm«, sagte Sibylle leise, »komm zu mir, Paula.«
    »Ich würde dich gern zeichnen«, erwiderte ich.
    Sie nickte und wiederholte: »Komm. Komm zu mir, du Schöne.«
    Ich legte mich neben sie und achtete darauf, sie nicht zu berühren. Ich verstand nicht, wieso ich hierhergekommen war, wieso ich mich hatte ausziehen lassen und nun neben einer nackten Frau lag. Ich verstand nicht, wieso ich ihre Einladung angenommen hatte, denn ich musste mireingestehen, dass all das, was geschehen war, mich nicht wirklich überraschte. Bereits bei ihren ersten Worten am Telefon,

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