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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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war wirklich nervös. Ich hielt die Teetasse mit beiden Händen, um mein Zittern zu verbergen, und vermied es, sie anzusehen. Sie hatte es wieder einmal fertiggebracht, mich zu verwirren, und wieder wusste ich, dass nicht sie der Grund war, sie hatte lediglich eine Saite in mir zum Klingen gebracht, eine Saite, von der ich nichts wissen wollte. Ich schwieg in der Hoffnung, sie würde aufstehen und gehen. Ich wollte nicht mit ihr reden, und schon gar nicht über dieses Thema.
    »Essen wir etwas zu Mittag?«, fragte Kathi. »Wir könnten zusammen kochen. Darf ich mal nachsehen, was du im Kühlschrank hast?«
    »Ich esse eigentlich nie zu Mittag. Wenn ich Hunger habe, mache ich mir rasch eine Schnitte und einen Apfel. Wir essen nur zum Frühstück etwas und dann zum Abend. Ich will nicht so viel Zeit verlieren.«
    »Komm, heute machen wir eine Ausnahme, Paula. Wir kochen zusammen. Wo stehen bei dir die Spaghetti?«
    »Im Glasschrank.«
    »Schön. Dann gib mir mal Knoblauch, Tomaten und Öl. Finde ich hier irgendwo Gehacktes oder Schnitzelfleisch, das wir durchdrehen können?«
    »Ich habe nur Eingefrorenes da.«
    »Macht nichts. Gib her, wir kriegen es schon klein.«
    Sie griff sich eine Schürze und band sie um. Dann nahm sie sich ein Messer und das große Holzbrett und sah mich tatendurstig an. Mit ihrer lässigen Art und ihrer Gradlinigkeit hatte sie es geschafft, die Verspannung zwischen uns aufzulösen. Wir schnitten Zwiebeln und Tomaten, hobelten mühsam kleine Fetzen von dem gefrorenen Fleisch, um es in der Pfanne kurz zu erwärmen, stellten den großen Topf für die Spaghetti auf die Gasflamme und schwatzten wie in der Schulzeit. Irgendwann küsste mich Kathi, es war mir nicht unangenehm, und ich wurde auch nicht verlegen. Der flüchtige Kuss war nur ein freundschaftliches Zeichen unserer Vertrautheit. Zum Essen, wir aßen gleich am großen Tisch in der Küche, trank jede ein Glas Wein. Als wir den Kaffee machten, erschien Waldschmidt. Ich stellte die beiden einander vor. Er bat mich um eine Tasse Kaffee und setzte sich für einige Minuten zu uns. Er fragte Kathi neugierig aus, sie antwortete in ihrer etwas spitzen und sarkastischen Art, und ich bemerkte, dass sie ihn verstohlen und doch eindringlich musterte. Offensichtlich prüfte sie, ob er ihren Erwartungen entsprach, ob er als mein Lebensgefährte für sie zu akzeptieren sei.
    »Bist du mit ihm zufrieden?«, fragte ich sie in einer Gesprächspause.
    »Ja«, sagte sie und grinste mich an, »dein Herr Professor scheint ganz in Ordnung zu sein.«
    »Dann bin ich ja beruhigt.«
    »Ach was. War das eine Prüfung, meine Damen?«, erkundigte sich Waldschmidt. Er stand auf, nahm seine Kaffeetasse und trank sie aus. »Ich muss euch jetzt allein lassen. Ich habe noch zu tun und fahre dann in die Hochschule. Um achtzehn Uhr bin ich mit Bernd Oltenhoff verabredet. Ich bin bei ihm zu Hause. Holst du mich ab, Paula? Gegen zwanzig Uhr?«
    »Ruf mich an, wenn ihr mit eurem Kram fertig seid. Ich komme dann.«
    Waldschmidt küsste Kathi zum Abschied auf beide Wangen, winkte mir zu und verschwand aus dem Zimmer.
    »Er sieht wirklich gut aus für sein Alter«, sagte Kathi anerkennend.
    Ich warf ihr einen warnenden Blick zu.
    »Ich habe den ganzen Tag frei«, fuhr sie unbekümmert fort, »wenn du willst, können wir spazieren gehen oder ins Kino. Du musst doch nicht jeden Tag arbeiten, Paula. Wollen wir uns einen vergnügten Nachmittag machen?«
    »Einverstanden. Wir haben uns schließlich lange nicht gesehen.«
    Ich räumte das Geschirr in die Spüle, zog mich um und holte mein Rad aus dem Verschlag hinterm Haus. Wir fuhren in die Botanische Anlage hinter dem Rosenthal und liefen dann zu Fuß drei Stunden durch den riesigen Garten mit den zerfallenden Gebäuden und den exotischen Pflanzen und Bäumen. Es war schön, mit Kathi zu plaudern, es war ein wunderbarer, harmonischer Nachmittag. Die ganze Anspannung war in den Stunden mit Kathi vergessen. Wir liefen Hand in Hand die Gartenwege ab, auf denen uns nur wenige Besucher entgegenkamen. Kathi fragte, ob ich im Urlaub wegfahre, und ich erzählte ihr, dass ich mit Waldschmidt etwas unternehmen werde, sagte aber nicht, dass ich nach Jugoslawien reise und alles längst geklärt und gebucht sei. Ich traute mich nicht, ihr davon zu erzählen, ich brachte nicht den Mut dazu auf. Gleichzeitig ärgerte ich mich darüber, so feige zu sein, denn ich war nun mal mit Waldschmidt zusammen und konnte daher in den anderen Teil der Welt

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