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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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etwas, was sie mit Vergnügen tun. Und darin bin ich richtig gut.«
    »Das glaube ich.«
    »Aber üben musst du trotzdem. Das kann auch ich meinen Schülern nicht ersparen. Jeden Tag, und mindestens eine Stunde.«
    »Versprochen, Frau Lehrerin.«
    »Wie ist der Typ, mit dem du zusammenlebst?«
    »Waldschmidt?«
    »Ja. Bist du mit ihm verheiratet?«
    »Nein. Natürlich nicht. Ich meine, ich lebe erst seit kurzem bei ihm.«
    »Er ist ziemlich alt, wie?«
    »Ja. Hat auch Vorteile.«
    »Das kann ich mir denken«, sagte Marion und warf einen anerkennenden Blick auf das ganze Zimmer.
    »Das meine ich nicht«, protestierte ich. Ich spürte, wie ich rot wurde.
    »Das dachte ich mir«, erwiderte sie, »aber hübsch ist es hier schon. Bist du gern mit älteren Männern zusammen?«
    »Weiß ich nicht. Er ist der erste ältere Mann, ich meine, der erste, der richtig alt ist. Mein Ehemann, ich war nämlich einmal verheiratet, mein Ehemann war nur zwölf Jahre älter, und davor war ich mit Gleichaltrigen zusammen. Für mich spielt das Alter keine so wichtige Rolle.«
    »Für mich schon. Mein Macker ist ein Jahr älter, ein völlig durchgedrehter Typ, aber ich brauche das. Mit einem Opa könnte ich nicht zusammenleben.«
    »Waldschmidt ist kein Opa. Er könnte mein Vater sein, ja gewiss, aber er ist hellwach und gut drauf. Bei meinen Kommilitonen gibt es Typen, die sind im Kopf viel älter als er.«
    »Dann ist es ja gut. Eine schöne Villa, die du hast. Wirklich schön hier.«
    »Das war alles schon so. Von mir stammt eigentlich nur das dicke Lederkissen dort drüben.«
    »Genau das wäre mein Problem, wenn ich einen Alten heiraten würde. Als ob man in eine komplett eingerichtete Wohnung einzieht. Älterer Herr, voll möbliert. Da kannst du nichts mehr machen, da musst du alles akzeptieren. Auch die Eierlöffel haben da ihren seit Jahrhunderten angestammten Platz, und wenn du etwas veränderst, gibt es Zoff. Oder?«
    »So ungefähr. Aber es muss ja nicht für die Ewigkeit sein.«
    Marion sah mich verblüfft an, dann prustete sie los. Wir beide verstanden uns gut.
    Einen Monat lang kam Marion dreimal in der Woche zu mir, und ich saß jeden Tag mindestens zwei Stunden am Klavier. Ich wollte, dass sie mit mir zufrieden ist, ich hatte den kindlichen Ehrgeiz, von ihr gelobt zu werden, und Marion ermunterte mich und konnte mir meine Selbstzweifel austreiben, aber ein wirkliches Lob habe ich von ihr nie bekommen.
    »Wenn du schallplattenreif bist«, sagte sie, als ich mich einmal beklagte, »dann werde ich dich loben. Bis dahin hast du noch einiges zu tun.«
    Nach dem ersten Monat mussten wir eine Pause einlegen. Ich sagte Marion, dass ich mit Waldschmidt in den Urlaub fahren würde, vermied es aber, ihr zu erzählen, dass die Reise nach Jugoslawien ging. Ich fürchtete, sie würde neidisch oder ärgerlich werden, da die Behörden ihrem Freund gerade den Pass für ein Gastspiel in Österreich verweigert hatten. In diesen vier Wochen war ich mit Marion erstaunlich weit gekommen. Meine Übungen am Flügel machte ich nur, wenn Waldschmidt aus dem Haus war, doch zum Ende der vier Wochen traute ich mich, seiner Bitte nachzukommen und ihm etwas vorzuspielen. Er war sehr erstaunt und sagte, ich sei offensichtlich begabt für das Klavier, ich sei eine Doppelbegabung und werde eines Tages gewiss auch als Pianistin mein Geld verdienen können. Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich bin lediglich fleißig«, sagte ich, »und Fleiß ersetzt kein Talent, auch keine versäumten Jahre.«
    »Schön«, meinte er, »aber für mich wirst du spielen. Wozu schließlich habe ich den Flügel hier herumstehen! Und wenn wir eine Gesellschaft geben, dann hoffe ich, du machst mir das Vergnügen.«
    »Ganz gewiss nicht, Freddy. Und ich bitte dich, das nievon mir zu verlangen. Und schon gar nicht in Anwesenheit deiner Freunde. Ich hasse es, von dir vorgeführt zu werden. Ich weiß, dass du das liebst, für mich ist das nur peinlich.«
    »Ich bin stolz auf dich, Paula. Ich führe dich nicht vor, ich will nur, dass auch die anderen sehen, was du für ein Schatz bist.«
    »Bin ich nicht. Ich bin kein Schatz. Und schon gar nicht dein Schatz.«
    »Ich weiß, Paula, aber das müssen die anderen ja nicht erfahren. Und auch wenn du mir nicht glaubst, du hast wunderbar gespielt.«
7.
    Mitte August, zwei Wochen vor unserer Urlaubsreise, meldete sich Katharina bei mir. Sie rief mich an und kam eine halbe Stunde später auf dem Fahrrad vorbei. Am Telefon war sie herzlich und munter

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