Frau Prinz pfeift nicht mehr
sind sie welk. Eigentlich eine Verschwendung, die ich mir nicht leisten kann.
Aber für diesen Anlaß mache ich eine Ausnahme.«
Ingrid sah Muck an, Muck sah Ingrid an. Muck sagte zu Ingrid: »Sie soll sich ihre Rosen in die Haare schmieren.«
Ingrid sagte zu Muck: »Ich wollte, sie läge statt Papa in der Grube. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.«
4
Kemper sah Ingrid Prinz-Papke an. Sie schwieg, erschöpft, aber sonst äußerlich unbewegt. Ihr dünnes, braunes Haar klebte |45| verschwitzt an ihrem Kopf. Es schien Kemper, als lausche sie auf etwas, und im selben Moment hörte Kemper auch das Weinen
eines Säuglings. Zum erstenmal lächelte Ingrid Prinz-Papke, zwar etwas mühsam und verkrampft, aber sie lächelte. »Das Hausmeister-Ehepaar.
Genau über uns. Sie haben ein Baby.«
Sofort fiel Kemper die alte Frau mit dem Kinderwagen ein, vielleicht war sie die Großmutter, ihm konnte das gleichgültig sein,
er räusperte sich kurz, er holte aus seiner Brieftasche eine Zeitungsnotiz, die vor drei Jahren in Paris im ›Figaro‹ erschienen
war. Er gabsie Ingrid Prinz-Papke, sie las, Kemper konnte nicht erkennen, obsie den Artikel kannte, doch ihre Hand, die das
Blatt hielt, schien leicht zu zittern.
Paris. Der deutsche Student Nepomuk P. aus München erhängte sich letzte Nacht in einer Zelle des Untersuchungsgefängnisses
de la Santé Standard. Wie wir dem Polizeibericht entnommen haben, war der junge Mann inhaftiert worden, weil er mit seinem
Auto in einer engen Parklücke derart rabiat |46| vor- und zurückgestoßen war, daß an den drei Autos Totalschaden entstand. Passanten riefen die Polizei. Als die Beamten den
Tobenden aus dem Auto holen wollten, bedrohte der Deutsche die Polizisten, die ihn daraufhin abführten.
Ingrid Prinz-Papke gab dem Kommissar wortlos das Papier zurück. Sie sah starr an ihm vorbei durchs Fenster, sie schien die
gegenüberliegende große Baustelle zu fixieren. Sie hatte Kemper offensichtlich vergessen, doch er dachte nicht daran, sich
dadurch einschüchtern zu lassen, daß sie ihn wie Luft behandelte. Sein Höflichkeitsreservoir geriet langsam in den niedrigen
Bereich. Diese Prinz-Papke, deren Häßlichkeit ihn lähmte und zugleich gegen sie aufbrachte, hatte es doch faustdick hinter
den Ohren. Sie sollte endlich mal ihr Karpfenmaul aufmachen. Kempers Ton klang jetzt drohend.
»Was war los in Paris, Frau Prinz-Papke? Warum hat Ihr Bruder sich erhängt?«
»Das hing mit den Moldens zusammen, die damals in das Nachbarhaus Nr. 77 gezogen sind.«
|47| »Was hatten denn die Moldens mit Ihrem Bruder zu tun? Der ging doch nach Paris?«
Zum erstenmal glitzerten die Augen Ingrid Prinz-Papkes wütend und kalt. Ihr Gesicht verzerrte sich, bekam etwas Verschlagenes,
Heimtückisches, nur sekundenlang, aber so wüst, daß Kemper fast erschrak. Selten hatte er soviel Haß in einem Gesicht gesehen
wie in dem der Prinz-Papke, als sie sagte: »Die Moldens sind an allem schuld.«
Ingrid Prinz-Papke holte tief Luft. Sie goß ihren Haß auf die Moldens vor Kemper aus wie einen überquellenden Mülleimer. Pack
seien die Moldens, richtiges Pack. Er, ein Heilpraktiker, »man weiß ja, was mit denen los ist, Scharlatane, Mörder. Genau
der Richtige für die Molden, die sich Sozialpädagogin schimpft, daß ich nicht lache, sie ist eine richtige kleine Schlampe,
ihre Kinder sind saufrech und verwahrlost, das kennt man ja, Lehrers Kinder und Pfarrers Vieh ... «
Kemper konnte nicht anders, er mußte diese Suada unterbrechen. »Sie wollten über Ihren Bruder berichten –«
|48| Die Prinz-Papke sah ihn unwillig an. Kemper fiel auf, daß ihre Augenränder stark gerötet waren. Vielleicht schlief sie schlecht
– egal –, Kemper konzentrierte sich wieder auf die Anschuldigungen gegen die Moldens, die aus der sonst sehr schwerfällig wirkenden
Prinz-Papke ungehemmt herausbrachen. »Die Moldens hatten ein Au-pair-Mädchen, als die Kinder noch kleiner waren. Eine Putzfrau
natürlich auch, dreimal die Woche ganztags, die Molden rührt ja selber keinen Finger. Wenn sie nicht schläft, rennt sie im
Schlafanzug im Garten herum. Meinen Sie, die würde mal ein Unkraut rausreißen, Rasen mähen? Die beschäftigt einen Gärtner,
stellen Sie sich das mal vor, und was für einen häßlichen Vorgarten die haben, und das für soviel Geld. Alles von vertrauensseligen
kranken Leuten ergaunert ... «
Kemper unterbrach sie ungeduldig. »Das haben Sie
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