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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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Nein, sie muss Becky ein Vorbild bleiben. Darum hat sie seit Tagen nichts als Lockenwickler, Föhnwellen und Foliensträhnen im Kopf. Zwecks Werbung für Friseure, versteht sich.
    Stichwort Friseure: Shampoo braucht sie auch noch.
    »Gut«, meldet sich Ricarda zurück, während Nelly suchend durch die Regalreihen irrt. »Dann male und frisiere dich samt Lebenslauf wenigstens ein bisschen mehr auf jugendlich. Mit fast fünfzig kannst du dir einen Auftrag bei Gut & Edel Communication sonst abschminken. Erst recht als völlige Newcomerin.«
    Ricardas Grausamkeit war freundlich gemeint. Sie arbeitet schon eine halbe Ewigkeit bei Gut & Edel und feiert seit ihrem 45. Geburtstag konsequent ihren vierzigsten. »Reine Notwehr«, nennt sie das und erklärt bei jeder Gelegenheit: »In der Werbebranche überlebt nur, wer die Tricks eines Guerillakämpfers mit Heidi Klums Lächeln zu garnieren weiß. Leider bist du in etwa so gerissen wie der Bussibär.«
    Nelly stoppt vor einer Regalwand voller Nagelscheren. Bussibär war gemein! Dagegen hat sie sich gewehrt und gegen den Begriff »völlige Newcomerin« auch. »Ich habe immerhin früher auch mal Drehbücher für Sitcoms geschrieben! Das sollte für einen kleinen Imagespot der Friseurinnung reichen.«
    Friseuren vielleicht, aber nicht Ricarda Revolverschnauze. »Deine Drehbuch entwürfe stammen aus der Tutti Frutti -Periode von RTL, als Nackedeis in Bananen-Bikinis und mit ein bisschen Schakalaka noch Länderpunkte und Werbepausen einbrachten. Vergiss es! Und erzähl meinem Chef ja nichts über die zwanzig Jahre, in denen du Gebrauchsanleitungen für Rasenmäher übersetzt hast. Das klingt nach ›Kreativ wie ein Fotokopierer‹.«
    Nelly fixiert wütend einen Satz Nagelfeilen, mit denen sie ihre Freundin gern bewerfen würde. Rasenmäher! »Traktoren, Ricarda. Es waren Traktoren und landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge der High-Tech-Generation«, hat sie versucht, ihrer Freundin zu erklären. »Und man muss verdammt kreativ sein, um ein spanisches Wort für ›extern gekühlte Abgasrückführungen‹ zu ersinnen. Außerdem sind Traktoren nützlich.«
    »Beeindruckende Leistung, Nelly, und das meine ich ernst. Ich habe dich immer darum beneidet, dass du dich mit nützlichen Dingen beschäftigen kannst. Aber wer etwas verkaufen will, das eher unnütz ist – und davon leben wir Werber an erster Stelle –, muss zunächst sich selbst verkaufen. Deine Berufserfahrung klingt dummerweise so spannend wie eine vierstündige Dokumentation über Sandkörner auf Sylt.«
    »Und du wie Meister Proper als Amokschütze«, hat Nelly entgegnet. »Wenn ich derart untalentiert bin, warum will mich dein Chef Rottländer dann bitte kennenlernen und direkt mit dem Kampagnenstar bekannt machen?«
    Das hat gesessen, nickt Nelly sich und einem Satz Hornhautraspeln zu. Es war mal wieder an der Zeit, Ricarda den Kopf zu waschen. Oh … Kopfwaschen! Sie wollte doch Shampoo und keine Fußbäder! Nelly biegt zur nächsten Warengondel ab.
    Ricarda zuckt in ihrem Kopf ratlos mit den Schultern. »Ehrlich gesagt ist mir völlig schleierhaft, warum du so ratzfatz für einen Auftrag von Gut & Edel eingekauft wirst. Noch dazu für die Friseurinnung, die macht gewöhnlich keine teure Werbung. Ich hab zwar immer mal deinen Namen bei Rottländer ins Spiel gebracht, aber rumgekriegt hat ihn Becky.«
    Nellys Verblüffung war grenzenlos. Ist es immer noch. » Becky?! Was hat Becky damit zu tun?«
    »Schon vergessen? Sie macht ihr 14-tägiges Schulpraktikum bei uns.«
    »Ja, aber das heißt gewöhnlich Kaffee kochen, kopieren und Klappe halten, wenn die Großen spielen.«
    Ricarda lächelte. »Rottländer hat einen Narren an Becky gefressen und lässt sie an allen möglichen Sitzungen teilnehmen. Na ja, sie hat gelegentlich höchst originelle Ideen und kennt sich mit Web 2.0 und dem ganzen Facebook-Kokolores bestens aus. Für Rottländer ist die Nutzung des Social Network das neue Feld, und Becky wohnt als Sechzehnjährige ja praktisch im Internet. Hat sie dir das alles denn nicht erzählt?«
    Nelly hat den Kopf geschüttelt und schüttelt ihn auch jetzt wieder – über sich selbst, weil sie in der Abteilung für Waschpulver gelandet ist, und über Becky, weil die wirklich nichts erzählt hat.
    Nun, Mütter in Grund und Boden zu schweigen, sie zu beleidigen oder ihre Existenz mitunter zu ignorieren gehört zu einer gründlich absolvierten Pubertät dazu. Genau wie die Momente, in denen Becky mit angezogenen Knien in ihrem

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