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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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gepustet. Röschen war davon stets schwer beeindruckt, und geholfen hat es der Schemutat angeblich fast immer: gegen Gliederzerren, Hühneraugen, Blattläuse und aufdringliche Hausierer.
    Der Fahrer öffnet zischend die Bustür. Frau Schick reißt ertappt die Augen auf. Soll mal ja keiner glauben, sie halte hier einen Erschöpfungsschlaf.
    Schon hangelt sich Hildegard am Einstiegsgeländer ins Innere und torkelt die Sitzreihen entlang geradewegs auf sie zu. Verdechst! Wenn das bei dem bisschen Budenzauber herauskommt, lässt sie es zukünftig besser bleiben. Misstrauisch beäugt Frau Schick das Häkelbändchen. Firlefanz! Nicht alles, was sie von der Schemutat gelernt hat, war der Weisheit letzter Schluss. Die hat sich bei Gewitter schließlich auch einen Silberlöffel in den Mund gesteckt, den Kaffeewärmer auf den Kopf gesetzt und die Bibel in den Schoß genommen, weil ein Knecht gemeinerweise behauptet hat, dann könne der Blitz nicht bei ihr einschlagen.
    »Mir reicht’s«, seufzt Hildegard und lässt sich neben Frau Schick auf die Rückbank plumpsen. »Was zu viel ist, ist zu viel.«
    Kein Wunder nach einer Flasche Tequila, denkt Frau Schick, sagt aber nichts.
    »Wissen Sie, was Ernst-Theodor gerade macht?«, fragt Hildegard und kuschelt sich in eine liegende Position.
    Frau Schick will es gar nicht wissen.
    »Er fotografiert einen«, Hildegard senkt die Stimme, »einen … Also wirklich, dass man so was an einer Kirche anbringt! Das ist noch ekelhafter als Sitzmadonnen und Fruchtbarkeitsgöttinnen.«
    »Was?«
    Hildegard schüttelt sich. »Einen männlichen … Igitt! Und auch noch riesengroß. Paolo sagt, dass früher noch viel mehr pudelnackte Kragfiguren und Schweinereien unter dem Dach hervorragten, die Sachen gemacht haben … also wirklich! Erst vor hundert Jahren hat ein vernünftiger Bischof sie endlich abschlagen lassen. Allerdings nicht gründlich genug. Er hat diesen riesigen – Igitt! – drangelassen! Und Ernst-Theodor fotografiert ihn aus jeder Perspektive.«
    Frau Schick ahnt, was Hildegard meint und Ernst-Theodor fotografiert. Anscheinend hat ihre Reisegefährtin vergessen, wie lustig sie noch gestern vermeintliche Katzenwitze über den Sitz des Glücks gefunden und wie vergnüglich sie sie missverstanden hat. Das ist eigentlich schade. In Wahrheit scheinen Ernst-Theodor und sie das Interesse an handfesten Tatsachen des geschlechtlichen Lebens zu teilen. Das haben sie nur vergessen, kann wohl passieren, wenn man dreißig Jahre verheiratet ist. Wahrscheinlich will Hildegard immer gerade staubsaugen, wenn Ernst-Theodor handfest werden will. Oder ihm fallen umgekehrt die Steuern ein, wenn Hildegard mal nach Hingabe und Katzenglück ist.
    »Also, ich denke«, wagt Frau Schick einen Einwand zu äußern, »Gott ist nichts Menschliches fremd, meine Liebe. Im Gegenteil.« Vorausgesetzt, dass es ihn gibt, denkt sie.
    »Trotzdem. Das ist zu viel«, schnaubt Hildegard und schaut beleidigt aus dem Fenster.
    Frau Schick verdreht die Augen. Die hagere Hildegard und ihr transzendentaler Ernst-Theodor sollten dringend mal gemeinsam Tequila trinken. Ein, zwei Gläschen, mehr nicht. Aber sie kann sich hier auch nicht um alles kümmern. Nein, das kann sie nicht. Sie beäugt ihr Handy. Ob sie noch mal …?
    Besser sie lässt es. Herberger klang eben recht genervt. Ihm passt die Detektivrolle gar nicht, und Quijote als Spürhund bei sich zu haben ist ihm auch nicht recht.
    Die Bustür zischt erneut, und der Rest der Gruppe strömt herein. Kurz darauf geht es weiter in Richtung León. Auf ausgedehnte Wanderungen wollen heute alle verzichten. Die Chorprobe mit Busfahrer ging wohl bis in den späten Abend. Hermann sieht heute sehr verträumt aus, Marthas Lächeln aber wirkt ein wenig angestrengt.
    Paolo fragt speziell in Marthas Richtung, ob Musik gefällig sei. Sie nickt dankbar.
    »Aber nur sehr leise«, bittet der Rest der Gruppe.
    Paolo schiebt eine CD in den Player und regelt die Lautstärke nach unten. Wenig später ertönen geistliche Gesänge, die Frau Schick erstaunlich gut gefallen. Sie sind so beruhigend.
    »Taizé«, flüstert Hildegard und schließt die Augen. »Das tut gut, da kann ich schön bei einschlafen.«
    »Was ist Taizé?«
    Hildegard antwortet nicht, ihre Gaumensegel wimmern bereits.
    Frau Schick muss Paolo fragen, wer oder was Taizé nun wieder ist.
    »Das iste eine Ort und eine moderne Kloster in Frankreich.« So viel Frau Schick versteht, treffen sich dort junge Menschen aller Nationen mit

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