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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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Mama spielen soll, aber zum Herrn des eigenen Schicksals. Am besten, sie fängt jetzt gleich damit an. Aber wie?
    »Mach Dünger aus jedem Mist, der dir entgegenschlägt«, hat Bettina gestern gesagt. Aber vielleicht hilft ja auch Ricardas Lieblingswitz, den sie nie müde wurde, Nelly zu erzählen: »Ein schöner Pfau und ein graues Moorhuhn treten vor den Traualtar. Erstaunt fragt der Pfarrer, ob der schöne Herr Pfau sich tatsächlich mit einem unscheinbaren Moorhuhn vermählen wolle. ›Das hat schon seine Richtigkeit, Ehrwürden. Meine künftige Frau und ich lieben mich bis zum Wahnsinn.‹«
    Damit muss Schluss sein.
    »Ich bin kein Moorhuhn«, versichert Nelly dem sie umgebenden Buschwerk laut und deutlich. »Für niemanden. Nie mehr!«
    Genau. Und der Jakobsweg ist nicht die längste Psychocouch der Welt, wie es in einem Text von Herbergers Homepage hieß. Damit kommt sie nämlich ebenfalls keinen Millimeter weiter. Jetzt zählt nur eins.
    »Ich will hier raus!« Sie schaut sich suchend um. Hinter ihr gerät das Gebüsch heftig in Bewegung. Dabei herrscht doch Windstille.
    Verdammt. Was, wenn Javier ihr gefolgt ist?
    Auf Nellys Stirn sammelt sich Schweiß, kalter Schweiß. Ihr Magen klumpt sich zusammen, die Brust wird eng, ihr Herz rast. So fühlt sich richtige Angst an. Sie hebt den Stock und reißt die Augen ganz weit auf, wirbelt auf der Lichtung herum wie ein wildgewordener Ninja-Kämpfer.
    An ihr Ohr dringt lautes Hecheln.
    »Wuff!«
    »Quijote!«
    Der Hund springt mit einem Riesensatz aus dem Gebüsch und mit wildem Freudewinseln an ihr hoch und wirft sie um. Offenbar weiß zumindest Quijote Moorhühner aufrichtig zu lieben.
    Halb erschrocken, halb erleichtert schiebt Nelly das schwarze Kalb zur Seite. Quijote gibt Pfote und scheint mächtig stolz zu sein. Dann stürmt er nach links zurück ins Gebüsch und bellt auffordernd.
    Nelly zögert. Irgendwer muss dem Hund doch folgen. Aber nein, da ist niemand.
    Sie folgt Quijote und steht nach zehn, zwölf Metern Gebüsch vor einem Hang und am Fuße eines kleinen, gemein steilen Pfades. Immerhin, es geht aufwärts, ganz ohne Gebüsch.
    Braver Hund, denkt Nelly gerührt. Treu, verlässlich und der beste Freund, den man sich wünschen kann. Vielleicht sollte ich ja zusammen mit Bettina ein Tierheim aufmachen, scherzt sie, um sich Mut zu machen.
    Quijote stürmt in riesigen Sätzen voran, bleibt stehen, wedelt mit dem Schwanz und schaut Nelly auffordernd an.
    »Na gut«, sagt sie. Dann krallt sie sich ins Gestrüpp und keucht ihm hinterher.
    Oben muss sie lachen. Über sich und Quijote, der sie auf der Hügelspitze nochmals umwirft. Vor ihr liegt ein mit Schafskötteln übersäter Weg. Wer hat den Hund nur hergebracht? Sie wird es herausfinden, indem sie einfach mit ihm weiterwandert.

52.
    »Nicht schon wieder!«, stöhnt Frau Schick, als Paolo am nächsten Morgen in dem beschaulichen Landstädtchen Astorga als ersten Programmpunkt den Besuch eines Bischofspalastes ankündigt. Nein, nein und nochmals nein! Sie will jetzt Kaffee trinken, einfach nur so dasitzen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.
    Die wunderschöne, blankgefegte Plaza in der Ortsmitte und der Schatten der Arkaden laden dazu ein. Von einem Café aus hat man einen ganz ausgezeichneten Blick auf zwei berühmte Glockenspielfiguren, die zur vollen Stunde mit absurd großen Hämmern auf ein Geläut eindreschen. Die Glockenspieler sind ein paar Hundert Jahre alt, tragen mittelalterliche Trachten und stammen aus der Zeit, als Wollhandel und Schafzucht Astorga reich machten. Das zu wissen genügt Frau Schick als Kulturprogramm, während sie auf Nachrichten von Nelly wartet.
    Hermann sieht das ähnlich. Er packt seinen Skizzenblock aus und schließt sich ihr an. Selbst Bettina scheint der Sinn für Höheres verlassen zu haben. Sie kommt ebenfalls mit ins Café. Allerdings veredelt sie den Entschluss zur hemmungslosen Faulenzerei mit einer esoterischen Erkenntnis. Die stammt von einem vietnamesischen Buddhisten mit dem merkwürdigen Namen Tik Nathan, wenn Frau Schick das richtig verstanden hat. Sie kennt nur den Dalai-Lama, hat sich aber nie groß für einen Menschen interessiert, der immer nur lächelt.
    »Ihr Menschen im Westen bekommt von Kindesbeinen an zu hören: ›Sitz nicht bloß dumm herum, sondern tu endlich mal was Vernünftiges!‹«, zitiert Bettina genüsslich. »›Es ist an der Zeit, dass ihr lernt, nicht bloß dumm herumzutun, sondern endlich mal vernünftig zu

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