Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
Haushaltskasse.
Frau Schmalz-Stange war mitsamt fünfjährigem Sohn fortan schweigend in meiner Nähe, trug mir das Paulchen nach und wischte dem fünfjährigen Sohn Sascha auch schon mal aus Verlegenheit mit dem Staubtuch die Nase. Anfänglich genierte ich mich vor ihr und ihrem fünfjährigen Sohn Sascha, aber dann gewöhnte ich mich an die Beiden. Wahrscheinlich langweilten sie sich einfach ohne mich!
Jeden Morgen, wenn sie kamen, begann ich mit meinen Tonleitern und Stimmübungen, und jeden Morgen trug Frau Schmalz-Stange das Paulchen zwei Meter neben mir auf und ab. Wenn ich sie fragte, ob sie mein unschöner Gesang nicht störe, sagte sie schlicht, nein, die Türken in ihrem Haus machten auch immer viel Krach.
Sie hatte also durchaus einen gewissen Charme!
Der fünfjährige Sohn, der, um den Zischlauten in der Namensliste noch die Krone aufzusetzen, den Namen Sascha hatte, hörte mit seinem Walkman Benjamin Blümchen. Ich mochte ihn, weil er weder auf meinem Klavier rumhackte noch mit dem Fußball auf mein Paulchen schoss, und schenkte ihm, damit er so bliebe, wie er war, im Laufe der Zeit ziemlich viele Benjamin-Blümchen-Kassetten.
Nachmittags war ich mit Paulchen allein. Da ich meine Pflichten erledigt hatte, war ich wieder halbwegs ausgeglichen und zufrieden.
Klaus war darüber sehr erfreut.
»Na, du glückliche junge Mutter?«, pflegte er mich zu begrüßen, wenn er aus der Klinik kam. »Wie viele Stunden hast du heute geübt?«
»Drei«, sagte ich dann stolz, und er drückte mich an seine breite Brust und sagte: »Aus dir wird noch mal was!«
Wir vertrugen uns ganz prima, Klaus und ich, aber wir waren eben erklärtermaßen nur eine Zweckgemeinschaft. Ich mochte ihn sehr gern, und wenn des Nachts tote Spinnen oder bartlose Polizisten meine Träume bereicherten, dann kroch ich schon mal zu ihm in seine Bärenhöhle, um seinen Beistand zu genießen, aber mehr als BeiSTAND war einfach nicht drin.
Er akzeptierte das, was mich überraschte, und auch für Paul brachte er zwar freundliches Interesse auf, aber er stellte keinerlei Besitzansprüche. Irgendwie hatte er sich um 180 Grad geändert. Wenn ich nur damals schon begriffen hätte, dass das alles Taktik war!
Doch blind und egozentrisch wie ich war, versteifte ich mich weiterhin darauf, entweder als verbissene Emanze in einem Altersheim für lebenslängliche Fräuleins zu sterben oder, und das gefälligst bald, meiner großen Liebe noch über den Weg zu laufen.
Ein Musiker sollte es sein, einer, der meine Seele verstand und mein Talent erkannte, einer, der nicht gediegen und besonnen durchs Leben ging wie Klaus, sondern originell und witzig einhererschien, kurzum, ich wollte endlich mal einen kurzweiligen Chaoten kennenlernen. Einen, der mich in künstlerischer Hinsicht bereicherte! Wie das Schicksal so spielt, begegnete ich, kaum dass Paulchen ein halbes Jahr alt war, meinem Traummann, und zwar in After bei Bonn.
Es war in einem Weihnachtskonzert, und er war der Bassist.
Schon bei der Probe war mir aufgefallen, wie locker und souverän er war. Mit einer Thermoskanne wanderte er durch die Kirche und sang mit unglaublich sonorer Stimme vor sich hin. Dabei rauchte er Pfeife und aß Gummibärchen. Er hatte eine Pudelmütze auf dem Kopf und ziemlich ausgebeulte Hosen an. Ein Original! Fasziniert beobachtete ich ihn, während ich vorn meine Arien sang. Er ließ sich auf einer Bank nieder, leerte den Inhalt seines Rucksackes aus, schraubte eine Fertigsuppendose auf und bereitete sich erst mal in aller Ruhe ein belebendes Heißgetränk.
In der ganzen Kirche roch es nach Maggi. Vielleicht war das das Geheimnis seiner wirklich wunderschönen Stimme! Toback mit Gummibärchen und Hühnerbrühe statt Einsingen. Ich sollte es wirklich mal damit probieren, denn die ewigen Tonleitern waren fad und zeitraubend. Außerdem langweilten sie inzwischen Frau Schmalz-Stange und Sascha, die von den Türken in ihrem Haus sicherlich mehr Abwechslung gewöhnt waren.
Weil Frau Schmalz-Stange mit Sascha und Paulchen in der ersten Bank saß, wobei Sascha trotz der lauten Musik wieder Benjamin Blümchen hörte und seine Mutter mich wie immer scharf beobachtete, konnte ich natürlich nicht die nähere Bekanntschaft dieses außergewöhnlichen Herrn machen.
Einen Tag später jedoch kam die Gelegenheit.
Während des Konzertes nämlich war es Säugling, Kind und Kinderfrau nicht gestattet, in der ersten Reihe zu sitzen, weil die Kirche schon seit Langem ausverkauft war. Frau
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