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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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flanierte noch einmal am Hauptportal vorbei. Da gewahrte ich eine windgeschützte Nische.
    Simon Petrus stund und wärmte sich.
    Er hatte einen olivgrünen Parka an, eine Pudelmütze auf und seinen bereits bekannten Rucksack bei sich. Ein süßlichmarkanter Duft nach Vanille entströmte der Pfeife, die er im Mundwinkel hatte, allerdings nur in Windrichtung, deshalb hatte ich ihn vorher nicht wahrgenommen.
    »Hallo«, sagte ich mit gespielter Unverbindlichkeit, »warten Sie schon lange?«
    »Da muss ich Sie leider enttäuschen«, sagte Simon Reich. »Als Sie das erste Mal um den Dom gingen, kam ich gerade aus der Bahnhofshalle.«
    Da. Kalt erwischt. Den Mann konnte man nicht so leicht täuschen.
    Wir gingen zu »Ernie’s Nudelbrett«, weil wir ja beide als beschäftigte Sänger heute den ganzen Tag noch nichts gegessen hatten, ist klar, versteht sich.
    Hatte ich gedacht, durch meine lockere Aufmachung Lässigkeit demonstrieren zu können, so hatte ich die Rechnung ohne Herrn Reich gemacht. Gegen ihn war ich erbarmungslos durchgestylt.
    Simon Reich hatte keinerlei Hemmungen, seinen Rucksack neben sich auf die Bank zu legen und die Beine so auszustrecken, dass er die Füße, die in schweren Stiefeln steckten, auf einen Stuhl der Nachbartischgruppe legen konnte.
    Kind, der Mann ist aber reichlich dreist. Das hätte Klaus Klett nie gemacht! Hat der denn gar keine Kinderstube?
    Simon Reich breitete erst mal die Pfeife, den Pfeifentabak, die Streichhölzer und allerhand andere Instrumente, die man zum Pfeiferauchen benötigt, auf dem Tisch aus. Dann entnahm er seinem Rucksack umständlich eine Glasdose mit Gummibärchen, eine weitere mit Suppenextrakt, einen Teelöffel, seine Thermoskanne und eine Papierserviette und stellte auch diese Dinge in sorgfältig gewählter Anordnung vor sich auf.
    Kind, der Mann hat’n Knall. Noch kannst du unauffällig gehen!
    »Was möchten die Herrschaften essen?«, fragte das sehr beschäftigte Fräulein, und Simon Reich sagte zu ihr: »Darf ich Ihnen mal tief in die Augen schauen?«
    Ich erstarrte. Das Fräulein erstarrte auch. Diesen Moment nutzte Simon Reich, um dem Fräulein tief in die Augen zu schauen.
    »Dachte ich es mir doch«, sagte er. »Sie sind braun.«
    »Na und?«, fragte die Serviererin irritiert und guckte mit einem Seitenblick auf mich.
    »Meine Großmutter hatte auch so braune Augen wie Sie«, sagte Simon Reich liebenswürdig.
    Die Serviererin sagte, sie werde wieder vorbeikommen, wenn wir uns für ein Gericht entschieden hätten.
    Ich war tief gekränkt.
    Was erlaubte der sich?
    War das das Imponiergehabe eines alternden Beaus? Oder hatte er Spaß daran, sich danebenzubenehmen?
    Kind, ich sage es doch: Der Mann hat’n Knall!
    »Meine Großmutter war Italienerin, müssen Sie wissen«, sagte Simon Reich zu mir. »Sie hatte die schönsten Augen im ganzen Dorf. Ganz braune Augen. Mein Großvater hat sie vom Fleck weg geheiratet.«
    »Aha«, sagte ich, »sehr interessant.« In Wirklichkeit interessierte mich die Oma von Simon Reich nicht einen Pfifferling. Aber er interessierte mich! Er selbst! Obwohl eine warnende Stimme in mir sagte, ich solle die Finger von ihm lassen und lieber dem gediegenen Klaus meine Liebe schenken.
    Ging aber nicht. Ich musste mich ausgerechnet in diesen »Sonderlichen vor anderen« verknallen! In mir tobten die Gefühle, ich konnte meinen Blick nicht von ihm wenden, und jedes versuchte Wort blieb mir im Halse stecken. Als das Fräulein wiederkam, um die Bestellungen aufzunehmen, hatten wir beide die Speisekarte noch nicht einmal aufgeschlagen.
    »Wir sind hier ein Restaurant«, sagte das Fräulein schnöde, »und kein Aufenthaltsraum! Wenn Sie sich also bitte entscheiden wollen!«
    Simon Reich nahm mit unendlich langsamer Geste die Beine vom Stuhl und bequemte sich, die Speisekarte aufzuschlagen. Er studierte sie unter den genervten Blicken der Serviererin geschlagene drei Minuten lang, die mir noch viel länger vorkamen, und sagte dann mit profundem Bass, dass er gerne als Vorspeise Schinken und Melone haben würde.
    »Und als Hauptgang?«, fragte das Fräulein nervös.
    »Das überlege ich mir dann«, sagte Simon Reich. Zu trinken bestellte er sich ein Glas Wein.
    Ich sagte hastig, dass ich das Gleiche wolle, damit sie wieder ging.
    Ich habe keine Ahnung, wie die Melone und der Schinken geschmeckt haben und ob ich sie überhaupt gegessen habe oder ob das Fräulein sie überhaupt gebracht hat. Von diesem Abend weiß ich nur noch, dass ich Simon

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