Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
hockten in einer gemütlichen Kneipe in der Altstadt.
Weil wir beide vielbeschäftigte Sänger waren oder den Anderen dies zumindest glauben ließen, war es völlig natürlich, dass wir uns vormittags trafen. Das war praktisch, denn so konnte ich Frau Schmalz-Stange gegenüber so tun, als ginge ich zum Gesangsunterricht, und Klaus musste ich überhaupt keine Erklärungen abgeben. Wenn die Zeit zum Stillen gekommen war, verabschiedete ich mich immer sehr plötzlich von Simon und fuhr mit der U-Bahn nach Hause.
Ich führte ein regelrechtes Doppelleben, und es machte ungemein Spaß! Die Liebe bewirkte so allerhand: Erstens war ich hervorragend bei Stimme, zweitens erreichte ich binnen kurzer Zeit mein Traumgewicht, und drittens war ich natürlich strahlender Laune. Nachmittags zog ich singend und Selbstgespräche haltend mit Paulchen um die Häuserblocks.
Mein Leben hatte wieder einen Sinn. Und was für einen!! Simon war eine Offenbarung. Jeden Tag erfuhr ich Neues von seinem spannungsreichen Tun und Denken, jeden Tag lernte ich wieder Anregendes über seine Lebensweise. Ich fühlte mich tatsächlich bereichert! Der langweilige Alltagstrott einer frustrierten Hausfrau lag weit hinter mir. Das schlechte Wetter und die frühe Dunkelheit machten mir nichts aus. In mir drin schien vierundzwanzig Stunden am Tag die Sonne. Klaus führte das darauf zurück, dass ich wieder sang.
Er freute sich über jedes Konzertangebot, das ich bekam.
Manchmal wollte er gerne mitkommen, um Tonaufnahmen für mich zu machen, aber ich lehnte immer dankend ab. Was, wenn Simon dabeisein würde? Ich hatte überhaupt nicht das Bedürfnis, die Beiden miteinander bekannt zu machen. Einer wusste vom anderen nichts, und das war gut so.
Das Einzige, was mir ein schlechtes Gewissen machte, war, dass der Knecht den Herrn verleugnet hatte: Ich hatte Paul noch mit keiner Silbe erwähnt. Er gehörte doch zu mir! Aber die Angst, Simon zu verlieren, war zu groß. Außerdem machte es ja gerade den Reiz unserer Beziehung aus, dass wir nicht alles voneinander wussten.
Mitten in dieser Hochphase bekam ich einen Einspringer für eine Tournee. Sie führte nach Frankreich, mit einem städtischen Chor und Orchester. Die Altistin, die ausgefallen war, war die berühmte Anna Blau. Ich war mehr als geschmeichelt, dass man gerade auf mich zurückgriff. Selbstverständlich sagte ich zu.
Ich sei allerdings gerade stillende Mutter, sagte ich der Dame von der Konzertagentur, also würde ich das Baby mitsamt Kinderfrau und deren Kind mitnehmen müssen. Ob das alles finanziell zu verantworten sei. Anscheinend war die Not so groß, dass man mich nach einer Stunde wieder anrief, ich solle ruhig meinen Hofstaat mitbringen, Hauptsache, ich spränge ein. Man werde uns ein Chalet zur Verfügung stellen, von dem aus alle Konzerte bequem zu erreichen seien. Anna Blau hätte auch das Chalet bekommen. Für alle Unkosten komme der Veranstalter auf.
Na großartig. Ich war in absoluter Hochstimmung. Liebe verleiht eben Flügel. Ich war felsenfest davon überzeugt, alle Bäume dieser Welt ausreißen zu können. Eine Auslandsreise mit Baby und sonstigem Anhang, was machte das schon? Eine Anhäufung von sechs Konzerten in sieben Tagen, das war doch ein Klacks! Ich war doch jung und dynamisch! Wie lächerlich mir jetzt mein verunglückter Ausflug nach Vlixta erschien!
Ich hatte ja Personal! Ich brauchte doch nur mit dem Finger zu schnippen, und schon lief alles wie geschmiert!
Der Abschied von Simon war das, was man leidenschaftlich nennt.
Als er erfuhr, dass wir uns zehn Tage nicht sehen würden, durchbohrte er mich mit seinen dunkelblauen Augen und sagte, dass er jetzt gerne mit mir allein sein würde.
Mir zitterten die Knie.
»Nimmst du mich mit zu dir?«, fragte ich todesmutig.
»Nein, Kleines, das geht nicht«, sagte er. »Bei mir zu Hause ist nicht aufgeräumt.«
Wir blickten uns an und vergingen vor unerfüllter Leidenschaft. Zum Teufel! Warum konnten wir nicht zu einem von uns nach Hause gehen, wie andere Leute das auch tun, wenn sie Lust aufeinander haben!
»Bei mir zu Hause wären wir nicht allein«, sagte ich. »Die Putzfrau ist heute da!«
»Schmeiß sie raus«, sagte Simon und zog mich mit Blicken aus.
»Das geht nicht, Simon«, sagte ich mit brüchiger Stimme. »Warum gehen wir nicht zu dir?«
»Weil bei mir nicht aufgeräumt ist«, sagte er unwirsch.
Verdammte Tat! Ich will sie begehen, dachte ich, zum Teufel mit den üblichen Spielregeln! Entweder wir lieben
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