Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
ich die Malsachen gleich wieder weg!«
»NEEEIINN! Du sollst die Malsachen nicht wegräumen! Ich will malen! Ich will anhalten! Ich hab’ DOOORRSST!«
»Mein Gott, Sascha«, sagte ich ungehalten. »Reiß dich doch mal ein bisschen zusammen! Wir halten ja gleich an, und dann kannst du malen und trinken, soviel du willst!«
Sascha ignorierte mich völlig. Mir fiel auf, dass er überhaupt noch nie mit mir gesprochen hatte, nicht nur auf dieser Fahrt nicht, sondern überhaupt noch nie! Selbst für die Benjamin-Blümchen-Kassetten hatte er sich noch nie bedankt. Genau. Das fiel mir jetzt auf. Keine Kinderstube, sagte Tante Lilli. Wo doch die Mutter Erzieherin ist!
»Mamaaa! Gib mir die Buntstifte!« Das kam in einem Tonfall, als hätte ihm jemand ans Bein gepinkelt. Um keine Langeweile aufkommen zu lassen, fügte er in dem gleichen Tonfall hinzu: »Ich hab Dooorrst!«
Ich hätte den Bengel schrecklich gern angebrüllt, aber meine gute Erziehung verbot es mir, Kind, das ist nicht deine Aufgabe, halt dich da raus.
Frau Schmalz-Stange hatte nun endlich alle Utensilien so geräumt, dass sie Saschas Wünschen nachkommen konnte. Er bekam Punica-Oase und Malstifte und Zeichenblock. Ich spitzte die Ohren so lang, dass ich einen Knoten hätte reinmachen können, um zu hören, ob der Kerl wohl jetzt Danke sagen würde. Doch nein: Das Kind befleißigte sich einer weiteren Kritik.
»Nicht den roten Strohhalm! Ich will den Grünen!«
»Den grünen Strohhalm habe ich gerade wieder in den Korb gepackt. Der liegt jetzt ganz unten drin«, sagte seine Mutter geduldig.
»Ich will den GRÜNEN Strohhalm! Lohos!«
Und gaben ihm Backenstreiche!!
Mein geräumiger Familienwagen machte vor lauter Schreck einen Schlenker auf die Standspur, als ich gewahr wurde, dass Frau Schmalz-Stange tatsächlich nach dem grünen Strohhalm grub. Ob ich ihr vielleicht mal einen erzieherischen Rat geben sollte? Besorgt dachte ich daran, dass mein Paulchen doch immerhin ihr Zögling war!
Kind, halt die Klappe. Das ist nicht dein Bier. Guck geradeaus und fahr vorsichtig.
Als Sascha endlich den grünen Strohhalm hatte, hörte ich ihn genau drei Sekunden penetrant schlürfen, dann brach er in panisches Gebrüll aus.
Eine Wespe, schoss es mir durch den Kopf, da muss eine Wespe drin gewesen sein, in der Punica-Oase! Ich blickte erschrocken in den Rückspiegel und machte die Warnblinkanlage an.
»Mach das WEG!!«, schrie Sascha, und meine Wespentheorie erhärtete sich. Der arme Kerl hatte aber auch ein Pech! Vorsichtig lenkte ich die bepackte Kutsche auf die Standspur und sah mich um.
Sascha hatte ein paar Spritzer Saft auf dem Ärmel, das war alles.
»Mach das WEG!!«, schrie er seine Mutter an, und die suchte in wilder Hast nach der Küchenrolle.
Und schlugen damit sein Haupt!!!
»Sascha, bist du noch ganz bei Trost?!«, sagte ich, vor Schreck zitternd. »Wie kannst du uns alle so erschrecken?!«
»Mamaaaa! Mach das WEG!!!«, brüllte Sascha, und die Mutter riss einen Fetzen von der Küchenrolle und putzte an seinem Ärmel rum.
Völlig verschreckt über soviel Geschrei wachte Paulchen aus tiefstem Schlaf auf und begann zu brüllen. Ich war genervt bis unters Kinn.
Dagegen war Vlixta ja noch die reinste Urlaubsreise gewesen!
Ich stauchte Sascha mit knappen Worten zusammen und sagte ihm, er solle seine arme Mutter nicht so schikanieren. Frau Schmalz-Stange entschuldigte sich, Sascha sei ein so besonders reinliches Kind, sei es schon immer gewesen, und er könne es einfach nicht ertragen, einen Saftspritzer auf dem Ärmel zu haben.
Ich schwieg.
Wir fuhren eine Weile durch die Gegend. Paulchen wollte sich nicht beruhigen.
An der Grenze lenkte ich den Wagen vor das Rasthaus.
Wir waren zwar erst eine Stunde unterwegs, aber ich war schweißgebadet.
»Pause«, sagte ich und krabbelte aus dem Auto.
Wer nicht ausstieg, war Sascha. Frau Schmalz-Stange stieg auch nicht aus, und Paulchen natürlich auch nicht. Ich reckte mich neben dem Auto und wartete. Schließlich sah ich durchs Fenster hinein:
»Ich denke, Sascha wollte aussteigen?«
»Sascha malt gerade so schön«, sagte seine Mutter, die, unter Saschas Spielutensilien begraben, nur noch mit der Nase herausschaute.
Paulchen brüllte.
Ich bugsierte ihn aus seinem Sitz und ging mit ihm in das Rasthaus.
Wenn wir schon angehalten hatten, konnte ich ihn auch gleich abfüllen. Ich bestellte mir einen Kaffee und legte Paulchen unauffällig an.
Nach genau einer halben Stunde, gerade als Paulchen
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