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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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für dich und nicht dieser Simon!« »Ja aber Simon hat einen Draht zur Musik, und Klaus hat keine Ahnung, was ein Quintsextakkord ist!«
    »Ein Grund mehr, ihn auf jeden Fall zu heiraten.« Antje wickelte sich genüsslich in die Decke. »Redet er dir wenigstens nicht drein.«
    Von der Warte hatte ich das noch gar nicht gesehen.
    »Ich muss mich noch ein bisschen ausruhen«, sagte Antje schläfrig. Ich starrte auf den zufrieden atmenden Deckenhügel neben mir. Sollte diese Frau etwa recht haben? Gab es denn keine andere Lösung, als eine Sicherheitsehe einzugehen, wenn frau Karriere machen UND Kinder haben wollte?
    »Übrigens, wie sieht dieser Simon denn aus?«, fragte der Deckenhügel nach einiger Zeit.
    »Intellektuell«, sagte ich. »Finde ich jedenfalls.«
    »Dann ist er es«, murmelte Antje müde.
    »Was?«
    »Was du gesagt hast. Intellektuell. Intellektuelle heiraten sowieso nicht. Schlaf gut.« Antje war nicht mehr zu sprechen.
    Pauline aber gedachte aller dieser Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.
    Am Tag vor Heiligabend waren wir wieder in Köln. Ich lieferte Familie Schmalz-Stange vor ihrem Reihenhaus mit Südbalkon ab und wünschte ein frohes Fest.
    »Wann sollen wir denn wieder arbeiten kommen?«, fragte Frau Schmalz-Stange. Arbeiten! WIR!!
    »Sie hören von mir«, sagte ich, und das war natürlich gelogen. Wenn ein Sänger nach einem Vorsingen gesagt bekommt: »Sie hören von mir« (Don’t call us, we call you!), dann kann er seine Noten nehmen und einpacken. Dann wird er mit Sicherheit niemals etwas hören. Ich war eben durch und durch ein Profi, in meiner ganzen Wortwahl.
    Das Thema Schmalz-Stange war jedenfalls endgültig erledigt. Meine Karriere vermutlich auch.
    Ohne Kinderfrau keine Karriere. Und solche Brittas liefen auch nicht in Scharen herum.
    Zu Hause ging ich als Erstes in den Flur und hämmerte einen Nagel in die Wand. Ein rein symbolischer Akt. Da hing vorläufig meine Karriere dran.
    Im Wohnzimmer stand ein Weihnachtsbaum mit echten Kerzen und ziemlich viel kitschigen Kugeln dran. Frau Pupke, die während unserer Abwesenheit unseren Haushalt und erst recht unseren armen vereinsamten Haushaltsvorstand ein wenig aufgepäppelt hatte, war offensichtlich auf einem Selbstverwirklichungstrip. Alles glänzte und roch nach Meister Proper, und im Backofen wälzte sich ein fettiger Vogel im eigenen Sud. Ich durchforstete heimlich den Kühlschrank in wilder Sucht nach Milchreis. Klaus hatte eigenhändig welchen besorgt. Er schien mich immer noch zu mögen, nach allem, was ich ihm angetan hatte. Wenn ich ihn doch nur umständehalber hätte lieben können! Es wäre so praktisch gewesen!
    Es duftete nach Zimtsternen und Adventskranz. Wir saßen auf dem roten Sofa, unser Kind im Arm, blickten in den Flammenschein und knabberten an den rosafarbenen Pupke-Plätzchen. Mir wollten die Tränen kommen. Kinder, nein, wie ISSES nur schön!
    Aus dem Radio ertönte ein heiteres Potpourri zum Thema »O du ölige, o du mehlige, fade schmeckende Weihnachtsgans.« In F-Dur.
    Ich selbst hatte vor einem Jahr an der Produktion teilhaben dürfen.
    War das erst ein Jahr her?
    Wo ich noch nichts von Paulchen wusste? Wo ich noch mir nichts, ihm nichts im Leben herumschlitterte, völlig vogelfrei und ohne Verantwortung für ein anderes Wesen? Wo ich noch Männer haben konnte, soviel ich wollte, ohne über das leidige Heiraten nachdenken zu müssen? Und Konzerte singen, wann und wo ich Lust dazu hatte? Und allein in meiner geliebten Bude hocken, sooft ich wollte? Und keine Kinderfrau haben musste, um ein kleines bisschen Freiheit zu erkaufen?
    Gerade als ich mich so richtig in eine Verherrlichung meiner Junggesellinnenzeit hineingesteigert hatte, sagte Klaus: »Weißt du noch, wie trostlos und einsam es letztes Jahr Weihnachten war? Jeder hockte allein in seiner Wohnung, und man wusste gar nicht, wofür man auf der Welt war!«
    Ich löste mich aus seinem weihnachtlich-feierlichen Bärengriff.
    »Und jetzt weißt du, wozu du auf der Welt bist?«
    »Natürlich«, sagte Klaus und hob feierlich sein Glas. »Für dich und Paul.«
    »Ja aber … Du tust ja gerade so, als wären wir liiert!«
    »Sind wir das nicht?«
    »Sind mitnichten!«, rief ich aufgeregt. Der arme Klaus hatte ja noch keine Ahnung von Simon! Womöglich machte er sich schon wieder völlig falsche Hoffnungen!
    Klaus sank in das rote Sofa zurück.
    »Klaus«, sagte ich, genauso, wie das die Christa aus der Schwarzwaldklinik zu Professor Brinkmann auch immer sagt.

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