Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
Vom Netzwerk:
abzuwarten, fragte sie Paulchen, der spuckefadenziehend in seine Rassel biss: »Was? Willze den Pullover haben? Was? Sollich den Pullover für dich stricken?? Ja? Die Tante tut den Pullover für dich stricken, woll? Das tut die Tante! Willze den Pullover denn haben, Paulchen? Sachma! Was? Woll! Sachma!«
    Da ich ziemlich sicher war, dass sie von Paulchen keine eindeutige Antwort bekommen würde, sagte ich: »Paulchen will den Pullover bestimmt gerne haben! Wo er so viel mit Ihnen DRAUSSEN ist, Frau Pupke!«
    »Was?«, antwortete Frau Pupke. »Woll? Sind wir viel draußen, Paulchen? Was? Tut die Tante viel mit dir spazierengehen? Sachma! Was? Woll?«
    Ich unterbrach sie. »NOCH ist es hell, Frau Pupke! Nutzen Sie doch die schöne Sonne!«
    »Die Mama muss arbeiten, Paulchen«, sagte Frau Pupke mit unerwartet plötzlicher Feinfühligkeit. »Komm, wir tun die Mama nicht länger stören. Mama muss lala machen, woll?« Mit markerschütternd jungfräulicher Stimme sang sie Paulchen schauerliche Töne ins Gesicht. Damit schleppte sie das dick eingepackte Bündel von dannen.
    Ich atmete tief ein und begann noch mal bei der Stelle mit der Ode. »Die Öde verschlingt ihn …«
    Da hörte ich bereits wieder die wackeren Beinchen von Frau Pupke nahen, die unter der Last meines Sohnes schier zusammenbrechen wollten.
    Sorgenzerfurchten Gesichtes hielt sie mir zwei Wollknäuel unter die Nase. Das Eine war dunkelblau, und das Andere war dunkelblau.
    »Kucken Se ma eben«, sagte sie, während mein schauerlicher Gesang noch im Wohnzimmer verhallte.
    »Soll ich getz den Saum mit diser Wolle machen oder mit diser?«
    »Mit diser!«, sagte ich und zeigte auf eines der Knäuel.
    »Is dat nich wat dunkel? Was? Is wat dunkel, woll?«, fragte Frau Pupke zurück. Schnaufend vor Anstrengung setzte sie Paulchen auf den Boden.
    Ich fühlte diesen unerträglichen Druck in mir, den man Stress nennt und wovon andere Leute Magengeschwüre und geschwollene Halsadern bekommen.
    »Nein, das ist nicht zu dunkel«, sagte ich, nachdem ich vorschriftsmäßig tief eingeatmet hatte. »Aber draußen wird es bald dunkel!«
    »Ich weiß nich…«, sagte Frau Pupke skeptisch und wiegte bedenklich das Haupt. »Für’n Jungen … was? … Is dat nich wat dunkel?« Sie hielt Paulchen die Wolle vors Gesicht. »Paulchen! Sachma! Is dat nich was dunkel für dich? Was? Hm? Sachma! Is was dunkel, woll? Hm? Im Winta? Sachma!«
    Paulchen sagte nichts Eindeutiges.
    »Dann nehmen Sie doch die andere Wolle!«, schlug ich freundlich vor und blätterte demonstrativ in meinen Noten.
    »Tja, weiß aunich«, sagte Frau Pupke. »Vonne andere Wolle is vielleich nich mehr genuch da! Was meinen Se? Reicht das?« Sie hielt mir das kleinere Wollknäuel hin. »Kucken Se ma. Reicht das? Für’n Bündchen? Was? Is wat knapp für’n Bündchen, woll? Was? Die Ärmel müssen ja aunoch ‘n Bündchen haben, woll? Was? Paul hat ja kräftige Ärmchen, was, Paul? Sachma! Hm? Woll?«
    Ich hatte keine Ahnung, was ein Bündchen ist und schon gar nicht, wie groß so ein Wollknäuel dafür sein muss. Ich hatte aber wohl Ahnung von der Schwierigkeit eines Dezimsprungs und dem damit verbundenen Dünnschiss.
    »Es ist mir ziemlich egal, Frau Pupke«, sagte ich. Dabei erschrak ich über meine Unhöflichkeit.
    Kind, reiß dich zusammen!
    »Frau Pupke«, sagte ich. »Vielleicht können wir heute Abend noch mal in Ruhe darüber nachdenken. Ich müsste jetzt dringend üben!«
    »Ich waa auchma in ‘nem Chor«, sagte Frau Pupke. »Das waa damals neunzehnhundat… ja wann war das getz genau, wattemaa, das muss gewesen sein … das war jedenfalls, als die Ursela dat Kleine noch nich hatte, da warn wa zusammen in dem Chor, wattemaa, wie alt ist getz der Ronald, Moment, ich muss ma eben rechnen, also der Große is getz inne Schule gekommen, dann is der Ronald, ja …« Sie rechnete mit größter Konzentration, »… der müsste vier sein! Woll? Der müsste getz auch schon widder vier sein! Sachma! Vier is der schon, der Ronald! ‘n großer Junge is dat! Auch so’n großer Junge, wie der Paul! Ich sachte immer für die Ursela, Ursela, sarich, ich sach, Ursela, die Kinda von heute werd’n imma größa! Stimmtdoch, woll, Frau Dokta? Is doch was dran, was ich sach, woll? WOLL? Die Kinder von heute sind viel größa als die Kinder von früher! Dat licht an de Hormone, sarich imma. Ich sach für den Walta, Walta, sarich, ich sach, die Kinda von heute …«
    »Frau PUPKE!«, rief ich, nachdem ich all meinen Mut

Weitere Kostenlose Bücher