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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Hüfte fassen wollen!
    Im Grunde war ich schrecklich eifersüchtig auf die Kellnerin, die Verkäuferin und die unzähligen Bekannten.
    Dieses Gefühl war mir neu.
    Es musste Liebe sein.
    Nachdem wir uns nun drei Monate lang nacheinander verzehrten, war es endlich an der Zeit, dass ich seine Wohnung kennenlernte. Simon hatte es zwar immer wieder zu verhindern gewusst, aber darin stand ich ihm ja in nichts nach; hatte ich doch auch jede Menge vor ihm zu verbergen: ein Kind, einen Kindsvater UND, was das Allerverbergenswerteste war: Frau Pupke. Soviel konnte Simon vor mir gar nicht zu verbergen haben! Nach stundenlangen Diskussionen und Erwägungen, ob es denn nicht endlich mal an der Zeit wäre, ein wenig von der geheimnisvollen Anonymität aufzugeben, war er bereit, mich in seinen heiligen Hallen zu empfangen. Ich platzte vor Spannung. War seine Behausung genauso außergewöhnlich wie sein Benehmen?
    Seine Wohnung stammte noch aus Zeiten des abgebrochenen Studiums. Sie war ziemlich klein und lag im Souterrain. »Ich habe tagelang aufgeräumt«, sagte Simon über die Schulter, als wir die Treppen zu der schweren grauen Eisentür hinabstiegen. Er war sehr stolz.
    Ich war auch sehr stolz. Was er doch für einen Aufwand betrieb, nur um es mir gemütlich zu machen! Sehr gespannt harrte ich des Momentes, wo ich seine Wohnung betreten würde. Welch originelle Einrichtung würde ich schauen dürfen?
    Vielleicht lagen ein paar tote Panther auf der Erde, oder es waren Jagdtrophäen anderer Art über dem Klavier angebracht? Vielleicht hingen Hunderte von Konzertplakaten aus aller Welt an den Wänden? Vielleicht schlief er in einem Allwetter-Schlafsack auf dem Fußboden? Zuzutrauen war ihm alles!
    Doch die Wohnung erwies sich als typisch verwahrloste Junggesellenbude. Ich war ein bisschen enttäuscht. Zwar hingen wirklich Hunderte von Konzertplakaten an der Wohnzimmertür, aber leider alle übereinander. Es war also nur das oberste zu sehen. Und das war eine Spatzenmesse in Pützchen. Die Schlafstätte befand sich tatsächlich auf dem Fußboden, wo eine normale Matratze lag. Diese war frisch bezogen, was ich als eine Geste des Entgegenkommens wertete. Auf der Fensterbank standen viele verschiedene kleine Staubfänger wie Kaktustöpfchen, kaputte Krüglein und Näpfchen, einige Hirschhornknöpfe, Aschenbecher und Kronkorken, ein Elfenbein-Stoßzahn neben einer Reisezahnbürste, ein sehr verstaubtes Kofferradio auf einem Stapel alter Zeitungen. Der Schreibtisch, den ich erst nach mühsamem Suchen ausmachen konnte, war so überladen mit unnützen Dingen, dass kein einziger Zentimeter mehr von ihm zu sehen war. Ich hielt Ausschau nach einem Klavier. Da stand es, mit zugeklapptem Deckel, und auf dem Deckel lagen etwa zweihundert Telefonbücher. Auf dem obersten standen Scharen von kleinen blauen Schlümpfen herum. Keiner von ihnen sah so aus, als hätte er seinen Standort mal irgendwann verlassen, um Simon den Zugriff zu seinem Klavier zu erleichtern. Alle Gegenstände und Möbelstücke seiner Wohnung dienten anscheinend ausschließlich als Ablagefläche für Staubfänger.
    Sehr originell soweit.
    Ich ging neugierig in der Wohnung umher. In der Badewanne stand ein Kübel mit Schmutzwäsche, die gerade in einer schwärzlichen Brühe vor sich hin moderte. Autark, wie er war, hatte Simon natürlich keine Waschmaschine. Wo hätte er die auch hinstellen sollen. Die Toilette war der einzige Gegenstand, der nicht zweckentfremdet war. Der Deckel war nicht nur nicht zugestellt, sondern ständig geöffnet! Ganz offensichtlich war die Toilette häufig in Gebrauch.
    In der Küche standen zwei Stühle vor einem wackeligen Tisch. Beide brachen fast unter der Last von Sachen zusammen, die ganz wahrscheinlich für eine Altkleidersammlung bestimmt waren. Vermutlich war Simon nicht dazu gekommen, sie noch in die dafür vorgesehenen Säcke zu räumen! Es stellte sich aber heraus, dass die beiden Küchenstühle seinen Kleiderschrank ersetzten, der sich wiederum wegen der vielen Gegenstände, die davor auf dem Boden lagen, nicht öffnen ließ.
    Auf dem Tisch standen ebenfalls nur Utensilien, die erstens unnütz und zweitens augenscheinlich nicht im Gebrauch waren: ein vorsintflutlicher Toaster, der unter Zeitungen zusammenbrach, eine Espresso-Maschine, die als Sparschwein für Kupfermünzen diente, eine versiffte Plastikkanne mit Umweltschutzaufklebern, dann die mir bekannte Thermoskanne, aus der Hühnersuppendüfte strömten, die dazugehörige

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