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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Frau Pupke von meinen Auftrittsängsten? Genauso viel oder wenig wie ich von der Problematik, aus einem dunkelblauen Wollknäuel ein Bündchen zu stricken, wollnich? Und was wusste Simon Reich schon von meinen Schwierigkeiten, Kind, Kindsvater, Kinderfrau und Karriere mit ihm zu vereinbaren? Genauso viel oder wenig wie ich von seinen Schwierigkeiten, ohne Hühnersuppe durchs Leben zu gehen. Ach, wie einseitig und egozentrisch ist doch der Mensch!
    »Erst verachtet, nun ein Verächter, zehrt er heimlich auf seinen eig’nen Wert in ung’nügender Selbstsucht.«
    Hatte ich bisher immer nur auf die unzumutbar schwierigen Intervallsprünge geachtet, so begriff ich an diesem Abend erstmalig den Text. Das soll ja selten vorkommen, dass Sänger begreifen, was sie singen!
    Die Metzgermeister und deren Gesellen im Publikum begriffen es übrigens nicht. Aber das hatte wohl auch niemand beabsichtigt.
    In der ersten Reihe saß eine Frau, die hatte ganz offensichtlich einen kleinen Defekt. Sie schien jedenfalls keine Metzgermeistersgattin zu sein, so wie sie aussah! Breitbeinig, in Wollstrümpfen und Pantoffeln, die kurzen Ärmchen über ihrem dicken Bauch gerade noch mühsam verschränkt, neben sich einen Einkaufsbeutel, saß sie dort und guckte sich die Alt-Rhapsodie an. Wahrscheinlich kam in ihrem heimischen Fernsehgerät nichts Rechtes.
    Wenn man auf der Bühne steht, hat man immer einen bestimmten Menschen im Publikum, auf dem das Auge ruht. Mir geht es jedenfalls so. Hier nun war es diese dralle Frau mit dem Einkaufsbüggel. Die Plätze rechts und links von ihr waren frei.
    Ich hatte gerade wieder mühsam meine sittliche Reife errungen und mit dem Kichern aufgehört, da vernahm ich aus dem Einkaufsbüggel ein Ticken. Sollte dieses Mädchen oder Weibchen eine Bombe in den Saal geschmuggelt haben?
    Bei der Modulation von c-Moll nach C-Dur kurz vor dem Männerchoreinsatz flüsterte ich Simon zu: »Die Dicke hat ‘ne Bombe im Gepäck!«
    Simon brummte zurück: »Das ist die Cilly aus dem Altersheim von Witterschlick. Die kommt in alle meine Konzerte. Damit sie den letzten Bus nicht verpasst, hat sie immer einen Wecker dabei.«
    Und richtig: Bei »Ein Ton seinem Ohre vernehmlich« schepperte das Ding in ihrem Einkaufsbüggel los. Sämtliche Gattinnen in den vorderen Reihen zuckten erschreckt zusammen, aber Cilly begann geschäftig mit dem Aufbruch, packte ihre Siebensachen zusammen, knöpfte sich den Mantel sorgfältig bis zum Hals zu, zog sich die Wollstrümpfe hoch, band sich dann, wegen des gemischten Wetters im Saal, eine Plastikhaube gegen den Regen um den Kopf, stellte den Wecker ab, stopfte ihn in den Büggel zurück, winkte allen Mitwirkenden noch mal freundlich zu und bedachte Simon mit einer geräuschvollen Kusshand. Dann schlurfte sie durch den Mittelgang davon.
    Die begeisterten Männerchorkehlen brüllten dazu passend »erquicke sein Herz«, und der Dirigent wischte sich den Angstschweiß von der Stirn.
    Vom weiteren Verlauf des Konzertes habe ich überhaupt nichts mehr in Erinnerung, außer dass ich vor mehreren hundert Metzgern fast in die Hose gemacht hatte – diesmal vor Lachen und nicht vor Angst.
    Ein völliger Rückfall in die Unprofessionalität.
    Kind, aus dir wird nie eine Dame.
    Und eine Kammersängerin schon gar nicht.
    Tante Lilli hat recht behalten. Die Metzger haben mich nie wieder engagiert.
    »Simon, entschuldige, dass ich wieder davon anfange, aber magst du Kinder?«
    »Och, im Prinzip schon«, sagte Simon. »Da habe ich theoretisch nix gegen.« Wir stapften im üblichen Marschtempo durch den Kölner Straßenkarneval.
    »Du jubelst ja nicht gerade!«
    »Och«, sagte Simon, »et kütt wie et kütt!«
    »Wie meinst du das? Könntest du dir vorstellen, ein Kind zu haben, ja oder nein?«
    Simon blieb stehen. »Was willst du eigentlich sagen, Kleines? Möchtest du unbedingt ein Kind von mir? Ist es das, was dich zu solchen Fragen treibt?«
    Typisch männliche Eitelkeit. Dass ich vielleicht schon von einem anderen Mann ein Kind haben könnte, kam ihm nicht in den hehren Sinn.
    »Nein«, sagte ich. »Beruhige dich. Ich will im Moment kein Kind.« Fast hätte ich gesagt »kein Kind mehr«, aber womöglich wäre er hellhörig geworden und hätte nachgefragt! Obwohl ich mit mir selbst hätte wetten mögen, dass er nicht hellhörig geworden wäre!
    »Na, dann sind wir uns ja einig. Da sind Kollegen aus der Oper.«
    Damit war das ausgesprochen nette Thema wieder mal erledigt. Die Kollegen hatten noch ein

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